Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
nicht, ob mir das gefällt. Die versuchte Vergiftung meines Vaters geht auf diese Rattenplage zurück, da bin ich mir sicher. Stell dir nur vor, er könnte auch so verderbt sein, und eines Tages sterbe ich an vergiftetem Zuckerzeug.«
Fabrizio leerte seinen Becher in einem Zug. Seine Kiefer mahlten. Erschrocken bemerkte der Koch, wie aufgebracht sein Herr auf einmal war.
»Solange ich hier der Koch bin, wird keine fremde Speise mehr an die Tafel gebracht, das schwöre ich Euch«, versuchte er ihn zu beruhigen. Die Antwort des Nobile war mehr ein Knurren.
»Du hättest es erleben sollen, Koch. Diese Medici sind hoffärtig und eitel, und sie sind stolz darauf, nicht zum Adel zu gehören. Sie wissen um ihre Macht und dass sie wohlhabender sind als viele von unserem Stande.« Er ballte die Fäuste. »Und es bereitet ihnen Vergnügen, uns das spüren zu lassen. Frag Paolo di Cavalli. Er wird dir das Gleiche erzählen.«
Massimo schüttelte den Kopf. Was sollte er dazu sagen. Abgesehen davon, dass er nicht über die Bildung verfügte, um etwas Gescheites zu erwidern, es war ganz einfach gefährlich, frei seine Meinung zu äußern.
»Vielleicht sollten wir jetzt zu Bett gehen«, erwiderte er leise und stand auf. Fabrizio schaute ihn an; in seinen Augen standen Enttäuschung und Traurigkeit. Als er wenig später wieder neben Cassandra lag, fühlte er sich genauso unverstanden wie vor seinem Gespräch mit Massimo. Zuerst war er zornig auf den Koch. Hatte er ihm nicht folgen können oder nicht folgen wollen? Fabrizio dachte nach. Die Zeiten waren andere geworden; sie beide hatten sich verändert, und jeder von ihnen war mit seinem eigenen Leben beschäftigt. Wir sind keine Freunde mehr, dachte er erschüttert. Sein Vater fiel ihm ein. Hatte er Freunde? Umberto war ein Ratgeber gewesen, kein Freund. Oder vielleicht doch? Unruhig wälzte sich Fabrizio hin und her. Nein, sein Vater war einsam, da war er sich sicher. So möchte ich nicht leben, überlegte er, niemals.
In Grosseto herrschte wieder Ruhe. Die Händler hatten ihre Stände abgebaut, die Girlanden und Fahnen waren abgehängt. Umberto richtete den breiten, mit Gold und Horn verzierten Gürtel, dann legte er seinen Umhang an. In den letzten Tagen hatte er viel erlebt, viele Menschen kennengelernt. Wirtschaftlich betrachtet ging es – soweit er es nach so kurzer Zeit zu beurteilen vermochte – nicht schlecht, aber die Bürger des Städtchens kamen ihm nur scheu und verhalten entgegen. Sie werden mit Martini so ihre Erfahrungen gemacht haben, überlegte er, dann trat er in den trüben Januarmorgen hinaus. Ein Blick in den Himmel ließ ihn aufseufzen. Schneewolken, eine so dicht und schwer wie die andere, hingen über den Dächern, und da war kein einziges noch so kleines Lüftchen, um sie zu vertreiben und der Sonne Platz zu machen. Nun, dann eben schlechtes Wetter. Er nahm es gelassen und machte sich auf den Weg zur Kirche. Der Prete hatte ihn gebeten, ihn nach der Morgenandacht aufzusuchen.
Als Umberto die Kirche betrat, fühlte er sich irgendwie unter Beobachtung, doch außer ihm und ein paar alten, klagenden Weibern konnte er niemanden entdecken. Wie beim ersten Besuch des Gotteshauses zog es ihn zum Seitenaltar. Er würde hier auf den Pfarrer warten und die mächtigen Schwingen des Verkündigungsengels bewundern. Lange konnte er jedoch nicht hinsehen, der Engel drohte sonst aus dem Altarbild herauszusteigen. Umberto kniff die Augen zusammen und versuchte weiterhin, das Geheimnis der Flügel zu lüften, als er die schnellen kurzen Schritte des Pfarrers vernahm. Sie klangen dumpf auf dem matten Steinboden. Wie schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen war der Geistliche anscheinend sehr aufgeregt, denn seine Hände bewegten sich ständig, und er trat von einem Bein aufs andere.
»Was ist nur mit diesem Engel«, wollte der Vogt nach einer kurzen Begrüßung wissen, »die Schwingen kommen direkt auf mich zu, wenn ich ihn länger betrachte, und ich meine fast, den Luftzug der Federn zu spüren.«
Er deutete fasziniert auf das Bild. Der Prete nickte heftig und bekam zu Umbertos Überraschung einen ganz weltlichen Gesichtsausdruck. Das Mildtätige war gewichen; er sah aus wie ein kluger Mann, der weiß, was er will.
»Ihr seid der erste Mensch, der mich darauf anspricht«, sagte er mit leuchtenden Augen, »ein Künstler aus Florenz hat es gemalt, vor zwei Jahren erst. Seht Ihr, das Haus? Das Fenster, an dem Maria sitzt?« Er reckte sich, um Umberto die Details zu
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