Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
Blick ohne Scheu. Sie hatte inzwischen ihre Unsicherheit abgelegt. Irgendetwas sagte ihr, dass sie diesem Mann vertrauen konnte.
»Ich will nicht schlecht über Pietro reden, ich bin seine Schwester. Aber es hat ein böses Ende genommen mit ihm und ja, es stimmt: Ich hänge nicht an diesem Haus. Aber bevor wir über Geld sprechen – erzählt mir von Siena, Vogt.«
Umberto wunderte sich über die Klarheit, die von der Matrone ausging. Für einen Moment musste er an Cassandra denken. Irgendwie waren sich die beiden ähnlich in ihrer Ausstrahlung. Vielleicht, weil beide wissen, wie reizlos sie sind, ging es ihm durch den Sinn, und dass ihnen Koketterie nichts nützt? Er betrachtete Francesca, die aufgestanden war und in einem kupfernen Kessel herumrührte. Sofort verstärkte sich das Kräuteraroma in der Küche, und er atmete tief ein. Ihre Blicke trafen sich.
»Ihr erzählt, und dann essen wir von meinem Eintopf«, sagte sie mit Bestimmtheit, und Umberto glaubte, eine zarte Fröhlichkeit aus ihrer Stimme herauszuhören. Und er begann zu berichten. Wie er schnell feststellte, war Francesca eine gute und interessierte Zuhörerin. Sie kommentierte, fragte nach, zog Schlussfolgerungen. Und so redeten sie weiter. Während des Essens und danach. Umberto erinnerte sich nicht, wann er sich jemals so gut unterhalten hatte. Aber er konnte nicht den ganzen Tag bei dieser Frau sitzen. Die Geschäfte warteten.
»Ich muss gehen, und du hast mir noch keinen Preis genannt«, sagte er und erhob sich. Francescas Augen, die eben noch so lebendig geguckt hatten, drohten zu erlöschen. Einer inneren Regung folgend griff er schnell nach ihrer Hand und drückte sie leicht.
»Wir sollten unser Gespräch ein andermal fortsetzen – wenn du magst«, sagte er leise. Francesca erwiderte den Druck seiner Finger und sagte nur:
»Ja.«
Irgendwie beschwingt machte sich der neue Stadtvogt auf den Weg in die Schenke. Er hatte noch einen weiteren Besuch vor sich. Gegen Abend würde er sich zu Hector und Benedetto gesellen. Doch bis dahin war noch etwas Zeit. Die würde er nutzen, um mit dem Wirt zu sprechen. Mario tat zwar alles, damit es ihm an nichts mangelte, aber Umberto wurde den Verdacht nicht los, dass der Wirt ein äußerst berechnender Mensch war. Francesca dagegen … Umberto kniff die Augen zusammen, um sich zu konzentrieren. Aber es nützte nichts. Seine Gedanken schweiften immer wieder zu Pietros Schwester ab. Sie hat wirklich ein Mäusegesicht, dachte er und lächelte vor sich hin.
27. KAPITEL
B ella saß in ihrem Sessel am Kamin und hielt Nwumas Brief fest an die Brust gedrückt. Jeden Abend, bevor sie zu Bett ging, las sie seine Worte, bis die Buchstaben vor ihren Augen zu tanzen begannen. Manchmal, wenn die Sehnsucht zu groß wurde, weinte sie, so auch heute. Sie wusste, es war nicht nur Nwuma, der ihr fehlte. Sie vermisste das Leben, das sie kannte und liebte: die Arbeit in der Küche, das Wirtschaften und Kochen, das Lachen und Zusammensein mit der Dienerschaft. Aber der Fürst hatte bestimmt, dass sie sich zurückzog und stattdessen lernte. Bruder Angelo kam bereits am frühen Morgen, und gleich nach einer kurzen Andacht erteilte er ihr Unterricht. Eine kleine Pause gab es zur Mittagszeit, aber auch nur deshalb, weil der Magen des Mönchs sich dann durch lautes Knurren bemerkbar machte. Danach ging es weiter, Stunde um Stunde. Abends fiel sie erschöpft in die Kissen, träumte von Zahlen und Tieren und fernen Ländern.
Vorsichtig faltete Bella den Brief des schwarzen Mannes zusammen und versteckte ihn in der Truhe neben dem Bett. Hier bewahrte sie ihre kleinen Schätze, zu denen neben dem Brief auch der Silberreif vom Arm Nwumas zählte. Nachdenklich schlug sie die Decke zurück und legte sich hin. Der Januar war fast vorbei; wenn nicht ein Wunder geschähe, würde sie Paolo im Sommer wirklich heiraten müssen. Und dann? Sie versuchte, sich eine Zukunft am Hofe von Lucca vorzustellen, aber vor ihrem inneren Auge entstanden keine Bilder von einem gemeinsamen Leben. Donna Donata fiel ihr ein, aber auch wenn diese Frau sie zur Welt gebracht hatte, wie eine Mutter hatte sie sich bislang nicht verhalten, nicht ein einziges Mal. Paolo hatte ihr doch bestimmt erzählt, wen er da freite … Nein, sie verstand das alles nicht. Ich kann später darüber nachdenken, dachte sie, dann schlief sie ein.
»Magdalena, schnell.«
Cassandras Zofe stand neben ihrem Lager und hielt ihr ein Talglicht vor das Gesicht. Bella schreckte auf; sie
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