Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
Buttero gedacht. Wenn sie ehrlich war, hatte sie auch an ihre Schwestern und ihren Bruder nicht mehr gedacht. Ob sie noch lebten? Wer ist mein Vater, überlegte sie, Giacomo hat mich großgezogen, aber wer ist mein leiblicher Vater? Sie betrachtete die junge Nobile, die vor Erschöpfung eingeschlafen war, und wollte vorsichtig ihre Hand aus der Cassandras lösen, doch diese murmelte etwas und griff noch fester zu. Bella wandte ihren Kopf zum Fenster. Zwischen den schweren Vorhängen schimmerte ein dunkelgraues Licht. Die Nacht ging zu Ende. Bella schloss die Augen und dachte an Nwuma. Sie vermisste ihn jetzt ganz besonders. Gib mir deine Kraft, dachte sie, ich brauche deine Kraft für diese Mutter und ihr Kind …
»Magdalena!«
Der Mönch hatte mit Schwung die schwere Tür zu Cassandras Gemach aufgestoßen und stand nun, begleitet von Massimo, nach Atem ringend mitten im Raum. Bella sah die beiden Männer fragend an. Massimo war der Erste, der wieder sprechen konnte.
»Die Heilkräuter sind in der Küche, meine Mägde und ich kümmern uns sofort um die Zubereitung. Bruder Angelo hat mir alles erklärt.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und rannte davon. Der Mönch, der inzwischen auch wieder zu Atem gekommen war, trat auf Bella zu.
»Geh in die Küche und lass dir von Massimo berichten«, sagte er freundlich, »ich bleibe bei Donna Cassandra und bewache ihren Schlaf.«
Als Bella kurze Zeit später in die Hofküche kam, wurde dort eifrig gearbeitet. Massimo war ständig in Bewegung, ging vom einen zum anderen und erklärte, probierte, nahm Maß. Es war ihm anzumerken, wie stolz er darauf war, eine so wichtige Aufgabe zu erfüllen. Bella setzte sich auf einen Stuhl neben der Feuerstelle. Sie spürte, wie Müdigkeit in ihr hochzog, und gähnte herzhaft. Im nächsten Augenblick stand ein Küchenjunge vor ihr mit einer dampfenden Suppe. Dankbar blickte sie zum Koch hinüber und aß. Massimo nickte ihr zu und gab noch ein paar Anweisungen, dann zog er sich einen Schemel heran und setzte sich zu ihr.
»Die Mönche haben uns Kräuter mitgegeben, die für Frauen im Kindbett nützlich sind.« Er zeigte auf die verschiedenen Töpfe. »Ein Sud ist gegen die Schmerzen, ein anderer für den Milchfluss. Und in dem Kessel da hinten …«, er deutete mit dem Finger auf einen großen Kupferkessel, »… in dem da hinten werden Leintücher gekocht. Darin sollst du Cassandra einwickeln, wenn das Kind da ist, sagt der Mönch.«
Bella nickte. Es war die richtige Entscheidung gewesen, die Mönche um Hilfe zu bitten. Sie reichte Massimo ihr Schälchen und sagte leise:
»Es tut so gut, dass ich mich auf dich verlassen kann, Massimo. Kann ich noch etwas Suppe haben?«
Der Koch errötete vor Freude über das Lob und sprang auf, um Bellas Wunsch zu erfüllen.
Cassandra hatte von dem bitteren Sud getrunken, und es schien ihr etwas besser zu gehen. Bella bemerkte, dass die Angst aus ihrem Blick verschwunden war und der alten Entschlossenheit Platz gemacht hatte. Sie hatte die Vorhänge zur Seite gezogen. Noch immer war kein Morgenrot zu sehen, aber die Schneewolken hoben sich milchig grau vom dunklen Himmel ab. Es würde nicht mehr lange dauern. Die Wehen kamen in kurzen Abständen. Bruder Angelo hatte sich inzwischen auch in die Sala zurückgezogen, und so waren es nur Bella und ihre Zofe, die Cassandra beistanden.
Wieder nahm die junge Fürstin einen Schluck von der Medizin. Ihr Hemd war nass vor Schweiß. Sie schien die Welt um sich herum vergessen zu haben, atmete flach, stöhnte. Dann schob sie energisch die Laken zur Seite und setzte sich im Bett auf. Ein Beben durchzog ihren Körper, sie griff nach Bellas Hand. Noch einmal durchzog sie eine Welle des Schmerzes, dann ließ sie sich in die Kissen zurückgleiten. Die Zofe packte das blutverschmierte Bündel, das zwischen Cassandras Schenkeln lag, und schnitt die Nabelschnur entzwei. Das Kind wimmerte leise. Bella deckte Cassandra zu, strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
»Es ist alles gut, Donna Cassandra«, sagte sie leise und sah, wie die Zofe ihrer Herrin das Kind in den Arm legte. Eine tiefe Sehnsucht durchströmte Bella. Sie beneidete Cassandra um diesen Moment des Glücks. Jetzt strahlte die Zofe über das ganze Gesicht.
»Euer Sohn ist klein, aber wunderschön«, flüsterte sie und ließ ihren Tränen freien Lauf. Bella spürte, dass auch sie weinte. Die Anspannung der letzten Stunden löste sich. Sie betrachtete das Neugeborene, wie es mit sicherem
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