Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
einen Brief entgegen, den der Schwarze aus seinem Umhang gezogen hatte. Während der Leibdiener des Conte sich wieder entfernte, sprachen die Fremden miteinander. Aber sie waren zu weit entfernt, als dass Donata etwas hätte verstehen können. Neugierig begab sie sich in die Gemächer ihres Mannes, wo neben Mahmut auch Paolo war.
Paolo hielt den geöffneten Brief in Händen und gab ihn an seinen Vater weiter. Er zitterte vor Wut. Sein Vater überflog das Schriftstück und sagte leise:
»Der Nubier ist uns willkommen. Der andere soll in der Küche warten. Lass ihm etwas zu essen geben.«
Kurz darauf öffnete sich die Tür erneut, und Nwuma trat ein, begleitet von Mahmut, der sich sofort wieder zurückzog. Der Schwarze sah wirklich beeindruckend aus. Die Muster auf seinem bunten Gewand schienen zu leben; bei jedem Schritt klingelten die Armreifen und Ketten, die er trug. Sein Kopf, wie immer kahlgeschoren, glänzte vor Öl. Er verneigte sich mit Hochachtung vor den Nobili und wartete darauf, dass der Conte das Wort ergreifen werde. Mit dem glücklichen Umstand, auch dem Vater des Bräutigams zu begegnen, hatte er nicht gerechnet. An der Körpersprache Paolos war abzulesen, dass er in dieser Unterredung nichts zu sagen hatte. Nwuma konzentrierte sich auf Ascanio und versuchte, Verbindung mit ihm aufzunehmen. Als sich ihre Blicke trafen, spürte er sofort die tiefe Verletztheit dieses Mannes, sein Sehnen nach Vergebung und Frieden. Der Nubier schloss für einen Moment die Augen und sammelte seine Kräfte. Dann schenkte er dem Conte einen langen, wissenden Blick und gab ihm alles an Energie, was er in sich trug. Ascanio seufzte kurz auf, dann begann er zu sprechen.
»Warum sollte ich meinen Sohn bitten, seine Braut freizugeben?«
»Weil ich sie liebe und sie zu meiner Frau machen möchte«, erwiderte der Schwarze und verneigte sich tief.
Der Conte zuckte mit den Schultern.
»Mein Sohn liebt sie auch.«
Nwuma sah zu Paolo hinüber, der immer noch stocksteif mit verzerrtem Gesicht zwischen seinem Vater und Donna Donata stand.
»Aber sie liebt Euren Sohn nicht, Sua Nobiltà.«
Wieder verbeugte sich der Schwarze. Er wusste, ein falsches Wort, und der Conte könnte ihn aufknüpfen lassen. Doch Ascanio war nicht wütend. Er schien nachzudenken.
»Ich möchte allein mit dir sprechen«, sagte er schließlich und machte seiner Gemahlin und Paolo ein Zeichen, sich zu entfernen. Als sie ungestört waren, trat Ascanio auf seinen Gast zu. Irgendetwas faszinierte ihn an diesem Mann.
»Du scheinst ein gebildeter Mann zu sein, Nubier«, sagte er mit Achtung in der Stimme. »Mein Sohn hat mir von dir erzählt, nachdem er aus Ascarello zurückkam. Darum gib mir einen Rat. Was soll ich tun, als Vater – und als Herrscher von Lucca?«
Einige Stunden später saßen die beiden Freunde am Lagerfeuer und stärkten sich. Nwuma hatte die Einladung des Conte, die Nacht im Palazzo zu verbringen, dankend abgelehnt. Ascanio hatte zur Verwunderung aller, die die Szene miterlebten, nicht mit einem seiner Wutanfälle reagiert. Vielmehr ließ er die Männer mit reichlich Proviant versehen ziehen.
Benedetto hatte gerade ein gebratenes Hühnchen aus einem Tuch ausgewickelt und biss herzhaft hinein.
»Und dann hast du ihm wirklich geraten, seinen Sohn mit einer Medici zu verheiraten? Du bist ein Teufelskerl.«
Der Schwarze nickte.
»Der Conte hatte Paolo die Heirat sowieso verboten, meine Angst war unberechtigt«, antwortete er. Seine Stimme klingt endlich wieder froh, dachte der Gaukler und schenkte seinem Freund etwas Wein nach.
»Woran denkst du, Nwuma?«
»Ich habe gerade gedacht, dass Bellas Mutter immer noch eine wunderschöne Frau ist.«
Jetzt war es Benedetto, der eifrig nickte.
»Für einen Moment habe ich erwartet, sie würde mich erkennen – aber es ist wohl zu lange her.«
»Vielleicht will sie sich auch nicht erinnern, Bruder«, sagte der Schwarze leise und nahm einen kräftigen Schluck.
Für eine Weile hingen beide Männer ihren Gedanken nach. Dann begann Nwuma zu sprechen.
»Ist es nicht eigenartig«, sagte er, »ich reite nach Lucca und will Paolo bitten, Bella freizugeben. Und dann ist er auf einmal da. Der Mann, den ich damals von der Kanzel aus gesehen habe, in Grosseto.«
Benedetto blickte seinen Freund entgeistert an. Es war unglaublich, aber Nwuma irrte sich nie, wenn es um Gesichter ging.
»Mahmut«, stieß er leise hervor, »du meinst, Mahmut hat mit dem ganzen Unheil etwas zu tun?«
Nwuma nickte
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