Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
in den Himmel. Es war später Nachmittag und schon fast wieder dunkel. Er hatte noch etwas Zeit, bis er die Speisen an die Tafel bringen musste; die Contessa hatte ihn wissen lassen, dass Paolo bei ihr das Nachtmahl einnehmen werde. Er ließ die Szenen des Tages noch einmal vorbeiziehen. Er verstand das alles nicht. Der Conte hatte sich nach seinem Unfall so gut erholt, er hatte sich mit seiner Gemahlin ausgesöhnt, und nun das … Rocco schüttelte den Kopf und ließ sich von seinen Füßen tragen, irgendwohin, Hauptsache weg vom Palazzo.
»Was ist geschehen?«, hörte er auf einmal eine altvertraute Stimme hinter sich. Langsam drehte er sich um. Benedetto war inzwischen ganz nah an ihn herangetreten. Der Koch sagte nichts. Wie versteinert stand er da. Erst als er die Arme des Zigeuners spürte, die ihn festhielten, löste sich seine Erstarrung, und er weinte. Der Gaukler hielt den anderen und wartete. Er wusste, es hatte keinen Zweck, ihn zu bedrängen. Rocco war schon immer von empfindlicher Natur gewesen. Es war besser, still zu sein, bis der Koch von selbst anfing zu sprechen.
»Der Conte ist tot«, sagte er matt und löste sich aus der tröstenden Umarmung. »Er hat sich noch von Mahmut Kräuterwein bringen lassen, und dann war es vorbei.« Rocco bekreuzigte sich. »Und warum bist du hier?«
Benedetto nickte. Er hatte den Pfarrer kommen und gehen sehen. Dann erzählte er. Von Nwumas Verdacht, von all den Begebenheiten, die mit Martini zusammenhingen.
»Fällt dir etwas dazu ein? Etwas Besonderes vielleicht?«
Rocco runzelte die Stirn, er versuchte, sich zu erinnern.
»War Martini jemals bei euch am Hofe?«
»Ja!«
Jetzt war Rocco aufgeregt. Er berichtete von dem Besuch des verkleideten Gemüsebauern, der ihm im vergangenen Jahr einen Brief für den Conte gegeben hatte.
»Hast du ihn deinem Herrn ausgehändigt?«, wollte der Gaukler wissen. Der Koch verneinte.
»Alle Briefe für den Conte gehen an Mahmut. Er kann lesen und schreiben und bringt die Briefe zu di Cavalli.«
»Alle Briefe?«
Rocco nickte.
»Schon immer?«
Rocco lächelte.
»Das müsstest du besser wissen als ich, Benedetto. Du bist hier geboren worden.«
Das stimmte zwar, aber Benedetto hatte sich nicht nur recht mäßig für die Küche interessiert, sondern noch weniger für das Leben am Hofe. Er hatte jede freie Minute genutzt, um draußen zu sein, in der Natur, immer in der Hoffnung, auf Zigeuner zu treffen.
Eine Weile trotteten beide nebeneinander her, dann schlug Rocco wieder die Richtung ein, die ihn nach Hause führte.
»Wir werden uns wiedersehen«, sagte Benedetto zu ihm, »wenn die Zeiten glücklichere sind.«
Dann ging auch er seines Weges. Es drängte ihn, schnellstens wieder nach Grosseto zu kommen, um sich mit seinen Freunden zu beraten. Wenn wirklich alle Botschaften bei Mahmut landeten, war es sogar denkbar, dass jener Brief, den Martini ihm selbst damals aufgedrängt hatte, den er Donata übergab statt seinem Herrn, ebenfalls dem Araber in die Hand fiel. Womöglich, überlegte Benedetto weiter, gab der Leibdiener manche Nachrichten einfach nicht weiter, sondern nutzte sie, um sein eigenes Spiel zu spielen … Aber warum sollte er das tun? Wir werden es herausbekommen, dachte der Gaukler und schwang sich in den Sattel.
Zurück im Städtchen führte ihn sein erster Weg zum Winterlager der Seinen. Momo kam direkt auf ihn zugelaufen und nahm die Zügel seines Pferdes. Seine Lavendelaugen blickten zufrieden und glücklich. Benedetto sah sich um. Die Scudos des Fürsten hatten dafür gesorgt, dass die Familie sicher und gut ernährt durch den Winter kam. Die Kinder hatten rote Wangen und tobten ausgelassen inmitten der Wagenburg herum. Wieder einmal übermannten ihn die Gefühle; er spürte die Liebe zu den Zigeunern heiß durch seine Adern rinnen, und er dankte dem Herrn, dass er sein Volk gefunden hatte.
Während sich die Männer berieten, war Momo zur Schenke gegangen, um den neuen Vogt um ein Treffen zu bitten. Wie Mario berichtete, hatte Umberto das Gasthaus am Morgen verlassen und war noch nicht zurückgekehrt.
»Ich würde es bei Martini versuchen«, sagte er und zwinkerte anzüglich. Dann trat er in die Schankstube zurück und ließ den Jungen stehen. Momo konnte sich nicht zusammenreimen, was diese Geste zu bedeuten hatte, doch er machte sich auf den Weg zu Francescas Haus. Als er klopfte, wurde ihm sofort geöffnet. Martinis Schwester sah ihn überrascht an, bat ihn dann aber hinein. Neben der Feuerstelle
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