Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
das erste Mal für die Contessa kochen sollte, und er wollte ihr beistehen, so gut er konnte. Vorsichtig nahm er einen Kalmar nach dem anderen aus dem Korb und legte die Tiere auf den großen, aus Eiche gezimmerten Arbeitstisch. Ein Blick in Giannis Richtung verriet ihm, dass auch dieser gespannt war zu erfahren, wie diese Prachtstücke zubereitet werden sollten. Bella hatte indes neben dem Koch Platz genommen. Ihre Augen waren geschlossen, eine steile Falte durchfurchte die junge Stirn. Rocco stellte sich hinter sie, zog sie neckisch am Zopf und sagte übermütig:
»Ich wusste, dass dir nichts einfällt, kleine Bella … deshalb werden wir die Kalmare … braten.«
»Braten.«
Das Mädchen spuckte das Wort verächtlich aus, ohne die Augen zu öffnen. Sie verzog ihren Mund wie im Schmerz. Jeder in der Küche konnte sich vorstellen, mit welchem Ekel das Kind gerade im Innersten kämpfte. Gianni schmunzelte, als er Bella so reden hörte. Sie hatte alle Verachtung dieser Welt in die Betonung gelegt. Seine Kleine. Sie wusste genau, was sie wollte. Und sie verstand es, sich in Szene zu setzen und alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Unglücklich der Mann, der eines Tages versuchen würde, ihr Herz zu erobern. Doch bis dahin war ja noch eine Weile hin. Bella war ein Kind. Und dafür dankte er dem Herrn. Der Koch seufzte.
Bella stand auf und drehte sich zu Rocco um. Der junge Bursche spürte die Energie, die von dem Mädchen ausging. Wieder suchte er ihren Blick, er wusste, sie würden jetzt ihr altes Spiel spielen. Sie würden sich die Namen von Kräutern und Gewürzen zuwerfen, sie würden mit der Vorstellung jonglieren, wie das alles schmeckte. Und irgendwann würden sie wissen, wie sie die Kalmare zubereiten würden. Nein, zubereiten mussten.
»Er muss weich sein«, sagte Bella leise, »weich und zart. Er muss der Contessa auf der Zunge zergehen.«
Sie blickte Rocco herausfordernd an. Und dieser parierte auf der Stelle.
»Und er muss saftig sein. Und fein und edel, so edel wie die edle Dame selbst.«
Seine Augen blitzten vor Freude. Er wusste, was Bella meinte. Ausgelassen glucksend gingen die zwei an ihre Arbeit. Geschickt und vorsichtig zugleich entfernten sie die Innereien der Tiere durch das Maul, um den Körper unversehrt zu lassen, und streuten grobes Salz in die Körperöffnungen. Rocco machte dem Küchenmädchen ein Zeichen, das Wasser im Kessel zum Kochen zu bringen, und die junge Magd beeilte sich, Holz nachzulegen und die Glut gleichmäßig unter dem Kessel zu verteilen.
In der Küche war es ruhig geworden. Alle Bediensteten beobachteten fasziniert die beiden jungen Köche, die Hand in Hand das Meeresgetier zu einem vortrefflichen Mahl verarbeiteten. Die Kalmare wurden bei wenig Hitze gekocht, dann wie Geflügel gespickt und danach gebraten. Während Rocco darauf achtete, dass die Tintenfische eine leichte Bräunung bekamen, kümmerte sich Bella um die Soße. Was könnte Donna Donata gefallen?, fragte sie sich immer wieder und kam zu dem Schluss, es müsse etwas sein, was diese nicht erwartete. Sie dachte an etwas Fruchtiges und entschied sich für eine leichte Variante mit dem Saft von Orange, Citrangole und Limone – Orange für die fruchtige Süße, Citrangole für die bittere Note und Limone für die feine Säure. Sie probierte, und wieder legte sich ihre kindliche Stirn in Falten. Es war nicht perfekt. Sie schmeckte noch einmal, sog mit gespitzten Lippen die Luft ein.
»Rosenwasser«, sagte sie gedankenverloren, »haben wir Rosenwasser?«
Gianni seufzte tief. Dieses Kind hatte einen exquisiten Geschmack. Einen sehr teuren dazu. Mit väterlicher Strenge sprach er das Mädchen an:
»Bella. Du bist eine Köchin … irgendwann … und keine Prinzessin. Vergiss das Rosenwasser, mein Kind.«
Bella sah ihn an, und ihre zweifarbigen Augen waren auf einmal dunkel vor Kummer.
»Ich will nicht aufsässig sein, Gianni, aber ohne Rosenwasser ist es alles nichts.«
Sie setzte sich an den Arbeitstisch, legte die Hände in ihre Schürze und begann, bitterlich zu weinen.
»Da hat sie Recht.«
Rocco blickte seinen Ziehvater ernst an. Aus seinem Körper schien jede Spannung gewichen zu sein, und er war wieder der ungelenke Rocco, wie sie ihn alle kannten. Der Koch zuckte mit den Schultern.
»Wo um alles in der Welt soll ich Rosenwasser hernehmen, ihr Narren!«
Rocco und Bella warfen sich einen verschwörerischen Blick zu. Das Mädchen rückte nah an Gianni heran und sagte leise an seinem Ohr:
»Wir
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