Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
ganz vorsichtig, um nur ja keinen Laut zu machen. Wie ein Schatten bewegte sich Bella sicher und schnell durch die Stube und gelangte zum Vorratsraum, aus dem sie sich in den letzten Tagen so reichlich bedient hatte. Langsam legte sie den Riegel um und trat ein. Hier war es, das Paradies auf Erden für jeden Küchenmeister: Käse. Würste. Gepökeltes. Schinken in Hülle und Fülle. Bella schloss die Augen und genoss das Aroma all dieser Speisen. Welch schöne Kompositionen man damit zaubern könnte … Vor ihrem inneren Auge zogen immer neue Speisenfolgen vorbei, sie spürte die Verbindung von Parmesan und Olivenöl und schwarzem Pfeffer, als hätte sie den Geschmack auf der Zunge … Bella seufzte. Sie würde sich nicht auf ewig hier verstecken können und den Wirt bestehlen. Das Mädchen nahm sich etwas Käse und ein Stück Speck. Brot hatte sie in der Schankstube gesehen. In Gedanken versunken machte Bella kehrt. Die Bilder von Anna und ihren wie erstarrt wirkenden Schwestern vor der Feuerstelle ließen sie nicht los. Und dann war da Giacomo mit leerem Blick … War es richtig gewesen, davonzulaufen und Gabriella so unglücklich zu machen? Ihre alte Tante hatte doch schon genug Leid zu tragen. Und nun auch noch den Kummer mit ihr. Bella schluckte. Vielleicht sollte sie zurückgehen und ihrem Vater helfen, vielleicht würde er sie dann endlich einmal in den Arm nehmen, ein liebes Wort an sie richten … nein. Sie wusste, es war aussichtslos. Deswegen war sie ja geflohen. Bella biss in den Käse und drückte die Klinke zur Kellertür hinunter. Sie gab nicht nach. Sie rüttelte und warf sich gegen die Tür, doch die blieb verschlossen. Bella spürte, etwas stimmte nicht. Sie wollte gerade nach dem Speck greifen, der ihr auf den Boden gefallen war, da hörte sie eine Stimme, laut wie Donnergrollen. Der Donner sagte:
»Du sitzt in der Falle, Bürschchen.«
Langsam drehte sich Bella um, die Hände schützend über ihren Kopf gehalten, denn sie erwartete ein paar schallende Ohrfeigen. Der Wirt zündete ein Talglicht an und betrachtete seinen Fang mit Interesse. Das war kein Zigeunerbursche, wie er gedacht hatte, nein. Vor ihm stand ein Mädchen, und ein hübsches dazu. Die Kleine mochte an die zehn, elf Jahre alt sein und war mutig genug, seinem Blick standzuhalten. Eine Weile schauten die beiden einander stumm an. Schließlich brummte Mario etwas vor sich hin und sagte:
»Hände runter. Wie heißt du?«
»Magdalena.«
Das Kind machte einen hellen Eindruck. Es hatte ein paar Backpfeifen verdient, aber was nützte das. Davon bekam er seinen Speck und seine Eier auch nicht zurück. Er hatte eine andere Idee: Er würde das Mädchen dabehalten. Seine Magd brauchte sowieso Hilfe in der Küche. Wieder brummte der Wirt vor sich hin.
»Wer isst, muss auch arbeiten. Und da du schon viel gegessen hast, musst du viel arbeiten. Hast du das verstanden?«
Bella nickte. Sie konnte kaum glauben, dass sie ungeschoren davonkommen würde.
»Heute Nacht schläfst du im Stall. Morgen stopfst du dir einen Strohsack. Dann kannst du im Haus unter der Treppe schlafen. Und nun fort mit dir.«
Zufrieden mit sich und seiner Güte stieg Mario die Treppe hoch und legte sich ins Bett, wo seine Frau laut atmend schlief. Ohne ihr einen Blick zu schenken, löschte er das Talglicht und drehte sich von ihr weg. So konnte er durch das Fenster in den Hof blicken. Hell war es draußen, kurz vor Vollmond. Der Wirt seufzte. An Schlaf war nicht zu denken, zu viel ging ihm durch den Kopf. Morgen war es endlich wieder so weit. Die Gaukler zogen in Grosseto ein, und das bedeutete reichlich Gäste und gute Geschäfte für eine ganze Woche. Und nicht nur das. Mario lachte leise vor sich hin. Das versprach auch die eine oder andere leidenschaftliche Umarmung mit diesen glutäugigen Teufelchen. Er kannte da eine … er schluckte, konnte nicht in Worte fassen, welches Feuer sie in ihm entfachte. Die Frauen in Grosseto hassten die Zigeunerweiber. Und sie hatten Grund dazu, dachte Mario. Allesamt dicke Matronen, sobald sie unter der Haube waren. Und zänkisch. Und prüde. Und gottesfürchtig – herrjemine! Er schloss die Augen und dachte an die kleine, zarte Frau, die er morgen Abend wohl endlich wieder in seinen Armen halten würde, die ihn zum Zittern bringen würde, wieder und wieder. Sie war noch sehr jung, gewiss, doch ihre kohlenschwarzen Augen blickten wie die eines erfahrenen Weibes, und wenn er sie strahlen sah, weil er ihr für ihre Gunst ein schönes
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