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Das Geheimnis der Götter

Das Geheimnis der Götter

Titel: Das Geheimnis der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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beiden mochten und verstanden sich auf Anhieb. Manche glaubten, sie seien Schwestern, die glücklich waren, sich wiedergefunden zu haben.
    Isis weihte Nephthys in die geheimsten Mysterien ein. Wie sie selbst brachte sie den Weg des Feuers hinter sich und durchschritt die Pforten, die zum Geheimnis von Osiris führen. Dann schilderte ihr Sesostris’ Tochter in allen Einzelheiten die schrecklichen Ereignisse, die Abydos erlebt hatte, wobei sie keinen Hehl aus ihren Befürchtungen machte.
    Da Nephthys die Aufgabe hatte, Osiris’ Leichentuch für die bevorstehenden Feiern zu weben, überzeugte sie sich zuallererst von der Güte des Leins, der Ende März geerntet worden war. Nur sehr zarte Pflanzen waren für die Herstellung von schönen Stoffen geeignet. Sie wurden so lange gewässert, bis alle holzigen Teile entfernt und nur die wertvollen Fasern übrig waren. Hatte sie dann die Sonne getrocknet und gebleicht, ließ sich daraus ein edler, makelloser Stoff weben. Dann begannen Isis und Nephthys zu spinnen und zu weben. Nicht der Hauch eines Schattens sollte das königliche Weiß
    des Leinengewands trüben, das Osiris tragen würde. Wie eine lichte Flamme bewahrte es das Mysterium.
    Nachdem die zwei Frauen Fäden von ausreichender Länge angefertigt hatten, knüpften sie sie zusammen. Um daraus Knäuel zu machen, die sie in Tontöpfen aufbewahrten, verwendeten sie alte Spindeln, die den Dienerinnen der Göttin Hathor vorbehalten waren. Beim Weben befolgten sie dann eine feste Vorgabe: vierundsechzig Kettenfäden auf achtundvierzig Schussfäden pro Quadratzentimeter.
    »Als Re sehr müde war, fiel sein Schweiß auf die Erde, schlug Wurzeln und verwandelte sich in Lein«, erzählte Nephthys. »Vom Sonnenlicht getränkt und vom Mondlicht durchdrungen, bildet er die Zunge der Neugeborenen und das Leintuch des Auferstandenen.«
    In einer Kapelle im Tempel von Osiris sollte das kostbare Kleidungsstück aufbewahrt werden.

    »Ich habe versagt, Herr. Welche Strafe Ihr auch immer vorseht, ich habe sie verdient.«
    Trotz all ihrer Verführungskunst, ihrer gespielten Bescheidenheit und ihrer völligen Aufopferung gelang es Bina nicht, an die ständigen Priester heranzukommen. Weder ihr Lächeln, noch das beste Bier oder die köstlichsten Speisen vermochten sie zu beeindrucken. Und selbst ihre verführerischen Reize brachten sie ihrem Ziel keinen Schritt näher.
    Der Prophet strich ihr zärtlich übers Haar.
    »Wir befinden uns hier auf feindlichem Gelände, meine Liebe, da ist nichts einfach. Diese Priester benehmen sich nun einmal nicht wie gewöhnliche Menschen. Deine Erfahrungen mit ihnen zeigen, dass ihnen ihre Aufgaben wichtiger als ihre Gelüste sind. Es wäre sinnlos, sich auf leichtfertige Gefahren einzulassen.«
    »Ihr… Ihr verzeiht mir also?«
    »Du hast dir nichts zu Schulden kommen lassen.«
    Bina küsste ihrem Herrn die Füße. Auch wenn er ihr bärtig und mit Turban auf dem Kopf lieber war – sein neues Aussehen änderte nichts an seiner Macht. Über kurz oder lang würde der Prophet die geistigen und weltlichen Festungen der Diener von Osiris einreißen.
    »Werden wir denn bald die geheimen Heiligtümer
    zerstören?«, fragte sie ängstlich.
    »Mach dir keine Sorgen, Bina, es wird uns gelingen.«

    Iker hatte ein ausführliches Gespräch mit dem Kommandeur der Sicherheitskräfte, um herauszufinden, wie der Aufenthalt der zeitweiligen Besucher von Abydos geregelt war. Wächter und Bildhauer, Maler und Zeichner, Töpfer, Bäcker, Brauer und Blumenzüchter, Opferträger und Musikerinnen, Sängerinnen und weitere Bedienstete waren je nach ihren Fähigkeiten und ihrer Verfügbarkeit in einen Arbeitsplan eingetragen – Alter und gesellschaftlicher Rang spielten dabei keine Rolle. Die Dauer ihres Aufenthalts schwankte je nach Arbeit zwischen wenigen Tagen und einigen Monaten. Die zeitweiligen Bewohner erfüllten eine richtige kleine Stadt und die Tempel für Osiris mit Leben, so dass nichts Weltliches den Einklang stören konnte, der in Abydos herrschte. Es war ausgeschlossen, sie alle zu verhören und ihre Rechtschaffenheit zu überprüfen. Aber der Kommandeur war überzeugt, dass kein schwarzes Schaf in das göttliche Reich gelangte. Einige Arbeiter zeigten sich zwar weniger fleißig als andere; doch die Vorarbeiter griffen schnell ein und duldeten kein Mittelmaß. Und fast jede Beschwerde, die bis zum Kahlen durchdrang, endete meist augenblicklich mit dem endgültigen Ausschluss.
    Iker bestand darauf, die Ältesten

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