Das Geheimnis der Götter
Kästchen verlassen«, sagte der Prophet drohend. »Als er es öffnete, hat Sobek seinen letzten Fehler begangen. Heute Abend sind wir ihn los, und unsere Leute in Memphis können zum nächsten großen Angriff ausholen.«
13
Sesostris war sehr erfreut über den glücklichen Verlauf von Ikers Initiation in das Goldene Haus. Dem Kahlen zufolge hatte sich der junge Mann beachtlich verhalten und erfüllte seinen Auftrag zuverlässig und gut. Ohne es zu wissen, hatte er das erste Tor zum Goldenen Kreis von Abydos durchschritten und wurde so ganz allmählich zu einem Osiris. Sehr bald schon, bei der Leitung der Rituale im Monat Khoiak, würde er sogar dessen Mittelpunkt darstellen und ganz bewusst ins Herz der geheimsten Bruderschaft ganz Ägyptens vordringen. Iker vollendete sich wie der Stein des Lichts, aus dem jede Pyramide, jeder Tempel und jede ewige Ruhestätte geboren wird. Und auf eben diesem Stein erbaute der Pharao sein Reich
– nicht zum eigenen Ruhm, sondern zu Ehren von Osiris. Solange die Zwei Länder sein Werk fortführten, konnte der Tod den Lebenden nichts anhaben.
Hartnäckigen Gerüchten zufolge wollte Sesostris Iker bald zum Nachfolger ernennen und den Thron mit ihm teilen, um ihn auf seine späteren Aufgaben als Herrscher vorzubereiten. Doch die Vorstellungen des Pharaos, der diese Möglichkeit nicht ausschloss, reichten viel weiter. Wie seine Vorgänger musste er den osirischen ka an jemand weiterreichen, der würdig war, ihn zu empfangen, zu bewahren, zu vermehren und ihn seinerseits eines Tages weiterzugeben. Iker, der die Barke und die Statue des Gottes geschaffen hatte, sollte diese Rolle übernehmen. Die Mysterien würde er kennen lernen, während er sie feierte. In Ikers ungewöhnlichem Fall gab es keinen Unterschied zwischen Gedanke und Tat, zwischen Erkenntnis und Verwirklichung. Wenn erst das Verfließen der Stunden aufgehalten war, würde Iker in der Zeit von Osiris leben, am Ursprung der übernatürlichen Dauer der von Materie und Geist durchdrungenen Zeichen. Isis sollte er jenseits vom Weg des Feuers wiederbegegnen, und er würde ins Innere des Lebensbaumes blicken.
Im Kampf gegen die Bedrohung durch den Propheten spielte das junge Paar eine entscheidende Rolle. Dessen ketzerischer Lehre und seinem rücksichtslosen Willen, seinen düsteren Glauben gewaltsam zu erzwingen, setzten Isis und Iker eine heitere Spiritualität entgegen, die sich unaufhörlich wandelte und vom schöpferischen Licht nährte.
Aber sie hatten noch nicht gesiegt.
Sesostris glaubte nicht, dass der Prophet verschwunden war. Sicher hatte er sich nur wie eine Sandviper vergraben, ehe er erneut zuschlug.
Hatte der Prophet Ikers wahre Bedeutung erkannt, oder kämpfte er nur wie ein Verbissener gegen den Pharao, indem er neue Anschläge in Memphis stattfinden ließ? Trotz kleinerer Erfolge fürchtete Sobek die Schlagkraft der Widerständischen, die sich so gut in Memphis eingenistet hatten, dass es nicht einmal Sekari gelingen wollte, ihre Spur aufzunehmen. Mitten in der Nacht störte General Nesmontu den König in seinen Überlegungen.
»Ich habe eine sehr schlechte Nachricht für Euch, Majestät. Sobek ist einem Anschlag zum Opfer gefallen. Mit einem bösen Zauber belegte kleine Figuren, die man dem Beschützer in einem Kästchen gebracht hatte, haben ihm eine unvorstellbar große Anzahl von Verletzungen zugefügt, ehe man sie schließlich mit Hilfe von Feuer besiegen konnte. Gua versucht zwar, ihn zu retten, aber er ist alles andere als zuversichtlich. Und das ist noch längst nicht alles! Als man nach ihm rief, befand sich der Arzt gerade zu Besuch beim Wesir, der schwer krank ist. Gua meint, Chnum-Hotep sei mit seinen Kräften am Ende.«
»Wir müssen sofort etwas unternehmen«, wiederholte Sekari.
»Wenn wir noch länger warten, werden sich die
Aufständischen davonmachen.«
Die für den Schutz von Sobek besonders ausgebildeten Sicherheitsleute waren niedergeschmettert.
»Er allein könnte so eine Entscheidung treffen«, erinnerte sein Stellvertreter.
»Sieh doch den Tatsachen ins Auge! Sobek ringt mit dem Tod. Er war bis in alle Einzelheiten über meine Nachforschungen unterrichtet und wartete auf meinen neuesten Bericht. Und der lautet kurz gesagt: Wir müssen handeln. Der Beschützer hätte in dieser Lage bestimmt zum letzten Mittel gegriffen, das verspreche ich dir!«
Der Offizier schien gebrochen und nicht in der Lage, eine Entscheidung zu fällen.
»Nur Sobek könnte all unsere Kräfte
Weitere Kostenlose Bücher