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Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
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seinen leichten Verdacht – ich glaube, er war nie allzu stark – als irrig abgetan hat. Seine neue Überzeugung, derer er sich gewiß ist und die er für bewiesen hält, hat die alte Vorstellung vertrieben. Theorien, die erst einmal von ihren eigenen Urhebern verworfen sind, sind nur sehr schwer wiederzubeleben – ebensowenig, wie man einen toten Mann wieder zum Leben erwecken kann. Haben logische Schlüsse erst einmal die Stelle falscher Deduktionen eingenommen, so wird ein praktischer Verstand kaum noch einmal zu diesen zurückkehren. Man braucht die Narrenfreiheit eines Amateurs und alle Zeit der Welt, um die alten Ideen noch einmal zu überdenken. Geschäftige Menschen müssen immer vorwärts streben, was vergangen ist, bleibt für sie vergangen, und Seitenpfade sind in ihren Augen Sackgassen. Ich glaube, selbst wenn ich neue Beweise vorlegen könnte, wäre ich wohl nicht in der Lage, diesen Fachmann zu beeindrucken, und er allein könnte das Verfahren Wiederaufleben lassen. Und noch weniger könnte ich hoffen, daß eine aufrechte Geschworenenschar im Angesicht eines guten Verteidigers eine Verurteilung ausspräche.«
    Er hielt noch einmal inne und sagte dann bedächtig: »Im Grunde steht es Ihnen, wenn Sie es wollen, frei, mir nun ins Gesicht zu sagen, daß das >Nein<, das Sie eben ausstießen, sich nicht auf die Frage bezog, die ich an Sie gerichtet hatte, und daß Sie, als Sie sagten, ich hätte Sie gestellt, von etwas ganz anderem sprachen als dem, was ich zu hören glaubte.«
    Er wartete, und es herrschte Totenstille, so daß ich den Atem anhielt, aus Furcht, sie könnten mich hören.
    Dann antwortete Milium, wiederum zögernd: »Nein, nein, ich will nichts zurücknehmen. Ich will überhaupt nicht noch einmal zurück. Was ich gesagt habe, wiederhole ich: Ich habe es getan. Ich bedaure es, aber ich habe es getan. Inzwischen weiß ich genug, um zu erkennen, daß ich die Sache nicht zu Ende bringe, indem ich schweige. Doch sie muß zu einem Ende kommen, es muß Schluß sein damit. Es ist an Ihnen, über das Wie zu entscheiden. Ich bin zu allem bereit, wenn es nur dieses tragische Spiel beendet, in dem ich Hamlet und ein halbes Dutzend anderer nutzloser Rollen gespielt habe.«
    Mr. M. schwieg einen Moment lang. Dann begann er zu lächeln, und was er daraufhin sagte, überraschte mich ebensosehr wie Milium. Denn er tat nichts anderes, als mit lauter Stimme zu rufen: »Mr. Silchester! Mr. Silchester!«
    Milium wirbelte herum, doch ich war so erschrocken, daß ich mit ebensolcher Schnelligkeit um die Ecke geschossen kam und – ein höchst dramatischer Auftritt – am Eingang der Laube erschien, bevor er noch einen Schritt tun konnte.
    Wir musterten uns einen Moment lang, dann sagte Mr. M.: »Mr. Milium, Sie sehen, ich habe Sie ein wenig auf die Probe gestellt. Wenn Sie geleugnet hätten, was Sie vorhin sagten, so hätte ich einen Zeugen gehabt.«
    Dann fuhr er, bevor der andere etwas erwidern konnte, fort: »Glauben Sie mir, ich habe es nicht getan, um Sie in die Falle zu locken. Nein, mein Entschluß stand längst fest, noch ehe Sie die Möglichkeit hatten abzustreiten, daß Sie auch nur das geringste wußten. Ich werde Sie nicht der Justiz überantworten, obwohl ich glaube, daß meine Beweise schlagkräftiger sind und überzeugender dargestellt werden könnten, als ich es hier erscheinen ließ. Nun kann ich Ihnen verraten, daß ich mir vorgenommen hatte, Sie auf die Probe zu stellen. Und hätten Sie diese erste Probe nicht bestanden – nun, dann hätte ich Ihnen die Chance einer zweiten gegeben. Denn, sehen Sie, Mr. Silchester hielt sich – nicht aus freien Stücken, sondern auf mein Geheiß – hinter der Hecke versteckt, als der erforderliche zweite Zeuge. Wären Sie beim ersten Mal schwach geworden, so hätte ich mich lediglich dieses weiteren Umstands bedient, um Ihnen Mut zu machen, das in die Tat umzusetzen, was Ihr echter Wille war, an dem Sie, verständlicherweise, selbst zu dieser späten Stunde einen Moment lang schwankend und irre geworden wären, als sich eine mögliche Tür zur Flucht zu eröffnen schien. Dann, ich wiederhole es, hätte ich Sie zum zweiten Male gefragt, ob Sie sich der Angelegenheit stellen wollten, und ich bin sicher, Sie hätten Ja gesagt. Doch ich freue mich«, und mit diesen Worten streckte er seinem Gegenüber die Hand entgegen, die dieser ergriff, »ich freue mich, daß Sie den richtigen Weg gewählt haben, als es noch schien, als ob auch jener Weg Ihnen offenstünde,

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