Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Haarnadel

Das Geheimnis der Haarnadel

Titel: Das Geheimnis der Haarnadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fitzgerald Heard
Vom Netzwerk:
gehört in eine Kategorie, die Sie vor einiger Zeit erwähnt haben. Es war kein Sedativum, doch eines jener geheimnisvollen Irritanten. Als nähme man ein Aspirin und stellte fest, daß man aus Versehen ein nux vomica genommen hat.«
    Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wovon sie sprachen, doch Mr. Milium nickte und fuhr fort.
    »Ganz recht. Und mehr noch, danach entwickelte sich alles – wie von selbst, hätte ich beinahe gesagt – aber vielleicht sollte ich sagen… schicksalhaft.«
    »>Facilis decensus Averno?<«
    »Ja, Vergil kannte die menschliche Natur, auch wenn er von der Geologie eines Vulkans weit weniger Ahnung hatte. Die Abwärtskurve machte einen plötzlichen Knick nach unten, als ich zwei Dinge entdeckte – nein, beobachtete. Das erste trug sich hier zu, bei Sankey. Nachdem er eine beträchtliche Zeitlang geschmollt hatte, rief er mich plötzlich herüber. Ich rechnete damit, daß es keine angenehme Unterredung werden würde. Das wurde es in der Tat nicht. Ich sollte ihm erlauben, wann immer ihm danach war, zu mir zu kommen und sich dort niederzulassen. Warum? Aus dem absurden Grunde, daß die Laube, in der wir hier sind und in der er bei schönem Wetter immer zu sitzen pflegte, inzwischen zu überwachsen, feucht und dunkel geworden war – sie nahm ihm die Sonne und schirmte ihn doch nicht genügend vom Hause ab. Also war er auf die Idee gekommen, daß es ihm in meinem Garten besser gefallen würde – obwohl er, genau genommen, kaum je einen Blick darauf geworfen hatte.
    Einen Moment lang dachte ich, das könne ich abwehren – man brauchte ja nur diese Laube hier zurückzuschneiden; sie war im Stadium hoffnungslosen Wildwuchses. Ich wies ihn darauf hin. Nein, das könne er nicht ertragen, daß jemand alles durcheinanderbringe. Außerdem… außerdem… ich gab den Versuch auf, ihn zu überreden, und machte mich davon. Er war ein Dummkopf, ein Gauner und ein egoistischer Paranoiker. Ich würde es nicht auf einen Wutausbruch ankommen lassen – denn ich wußte ja, daß er es im Grunde nur darauf anlegte, einen Streit vom Zaune zu brechen –, und schon gar nicht wegen einer so albernen Kleinigkeit wie dem Zurückschneiden einer Hecke. Wenn ein geistig Verwirrter in einem solchen Zustand ist, kann jede Kleinigkeit zum Ausbruch führen, und ich war noch immer vernünftig genug, vorsichtig genug, und ich hatte eine unbestimmte Vorstellung, daß ich noch nicht wußte, wie ich es einrichten sollte, daß der Ausbruch, wenn er kam, einen eindeutigen Anlaß hatte, und zwar einen, den ich ersonnen hatte.
    Doch er ließ mir keine Ruhe. Das hätte ich wissen müssen. Einer bestimmten Sache aus dem Wege zu gehen, hieß, nicht einmal das Symptom zu behandeln. Sogleich war er wieder da – oder, um exakt zu sein, sogleich wurde wieder nach mir geschickt. Nun forderte er, daß ich ihm Teile meines Gartens verkaufen oder schenken sollte, so daß er ihn abgrenzen, eine Mauer errichten und ihn seinem eigenen angliedern konnte – ohnehin eine reine Schnapsidee, denn zwischen den Häusern verläuft ja ein öffentlicher Weg. Wenn er so manisch darauf bedacht war, daß niemand ihn störte, hätte er eine überdachte Brücke oder einen Tunnel unter der Straße bauen müssen – wie die absurden Exzentriker des achtzehnten Jahrhunderts es ja tatsächlich taten.
    Als ich wieder in meinem eigenen Haus anlangte, stieg ich hinauf auf das Dach, nur um zu sehen, wie seine wahnsinnige Idee sich verwirklichen ließe, wenn er mich dazu zwänge – wie Naboth, als Ahab es auf seinen Weinberg abgesehen hatte –, und als ich hier hinüberblickte, sah ich, wie der Wuchs der ineinander verflochtenen Zweige dieser Laube sie als >sonniges Plätzchen< unbrauchbar gemacht hatte und wie einfach selbst ein Laie es wieder zurechtschneiden konnte. Als ich dort stand, stieß ich mit dem Fuß an etwas, das unter dem kleinen Vorsprung lag, welcher zwischen den Ziegeln und der eigentlichen Brüstung verläuft. Es war offenbar etwas, das die Dachdecker dort zurückgelassen hatten, nachdem sie ihre Arbeit getan hatten. Vor kurzem mußte ich einige Ziegel ersetzen lassen. Ich hob es gedankenverloren auf und begann damit zu spielen und fragte mich mit den äußeren Schichten meines Verstandes, was es wohl sein mochte und wie man damit arbeitete – während die tieferen Schichten bis zur Erschöpfung bekümmert waren von dem Gefühl, daß ich ganz und gar in der Falle saß.
    Meine Ängste waren nur zu begründet. Ich hätte voraussehen müssen,

Weitere Kostenlose Bücher