Das Geheimnis der Highlands
Sie wurde schnell zu einer Expertin der subtilen Wege, zu berühren und zu sprechen, eine Lippe zu benetzen und mit den Augen zu verführen. Sie kannte die verstohlenen Liebkosungen und ihre unverzüglichen Erwiderungen, dieihren süßen, schönen Mann in einen pulsierenden, unbarmherzigen Wilden verwandelten.
Mit Erstaunen hatte sie bemerkt, daß der Herbst mit meisterlicher Inspiration die Hügel gefärbt hatte; Blätter in leuchtenden Schattierungen von Kürbisgelb, Weinrot und hellem Bernstein raschelten knisternd unter den Hufen ihrer Pferde, während sie unter Zweigen von Erntegold dahinritten. Eichhörnchen pfiffen und jagten mit Sprüngen, die die Schwerkraft verhöhnten, durch die Bäume. Schottland in seiner ganzen majestätischen Pracht, behaucht von Liebe, die die einfachen Geschenke der Natur zu einem Wandteppich voller Wunder färbte. Adrienne war niemals aufgefallen, daß die Welt so schön war.
Sie würde die gemächliche Rückkehr nach Dalkeith als ihre Hochzeitsreise in Erinnerung behalten; als eine Zeit phantastischer Leidenschaft und zärtlicher Romanze. Eine Zeit glückseliger Heilung und Liebe. Einfach gesagt, die schönsten Tage ihres Lebens.
* * *
Am Abend des zweiten Tages, als sie auf einem Tartan der Douglas’ aus Blau- und Grautönen lagen, wurde Adrienne plötzlich und ohne ersichtlichen Grund von einem wehmütigen Schmerz gequält, und sie konnte ihre Zunge nicht im Zaum halten. Sie nahm das Gesicht des Hawk fest in beide Hände und küßte ihn stürmisch, heiß und verlockend, dann zog sie sich zurück und sagte: »Solltest du mir jemals wieder den Zutritt zu dir verweigern, mein Gemahl, werde ich die Mauern von Dalkeith eigenhändig Stein für Stein niederreißen, um zu dir zu gelangen.«
Der Hawk schüttelte den Kopf, seine Gedanken von dem verführerischen Kuß durcheinandergewirbelt und völligverwirrt durch ihre Worte. Er bemächtigte sich ihrer Lippen mit einem langen, ebenso feurigen Kuß, und als sie leise keuchend unter ihm lag, sagte er: »Wenn du es jemals wieder versäumen solltest, dich nach meinem Befinden zu erkundigen, nachdem ich verwundet wurde, werde ich Dalkeith einen steinernen Turm hinzufügen und dich darin einsperren, meine gefangene Liebessklavin, damit du mir nie wieder irgend etwas verweigern kannst.«
Jetzt war sie an der Reihe, ihn mit verblüfftem Gesichtsausdruck anzustarren, ihre Lippen voll und rosig von der Leidenschaft seines Kusses. »Meinst du, nachdem du von dem Pfeil verwundet wurdest? Da habe ich versucht, dich zu sehen. Grimm hat es nicht zugelassen.«
Hawks Blick kämpfte mit ihrem. »Grimm sagte, du wärst nicht ein einziges Mal gekommen. Er sagte, du würdest tief und fest im Pfauenzimmer schlafen, und deine einzige Sorge wäre, wie schnell ich wohl sterben würde und dich freigäbe.«
Adrienne stöhnte auf. »Niemals! Ich war direkt vor deiner Tür und habe mit ihm gestritten. Er hat geschworen, daß du mir den Zutritt verweigertest!«
»Ich habe dir niemals den Zutritt verweigert. Nein, ich habe dir meine Seele geöffnet und dich hineingebeten. Jetzt erzählst du mir, du seist in jener Nacht gekommen und Grimm habe dir erzählt, ich hätte den Befehl gegeben, dir den Zutritt zu verweigern?«
Adrienne nickte, die Augen weit aufgerissen.
Dunkle Wut huschte über das Gesicht des Hawk, als er sich an die Seelenqualen erinnerte, die er in dem Glauben durchlitten hatte, daß sie nicht genug für ihn empfand, um sich zu erkundigen, ob er überhaupt noch atmete. Plötzlich verstand er das ungewöhnliche Verhalten seines Freundes in jener Nacht. Die Art, wie Grimms Blick seinem auszuweichenversuchte. Sein nervöses Verhalten, wie er das schon brennende Feuer geschürt und dann ziellos in den knisternden Scheiten herumgestochert hatte. »Grimm, welch falsches Spiel treibst du?« murmelte er. Konnte Grimm Adrienne etwa Böses wünschen? Oder hatte Grimm einfach nur versucht, ihn, seinen Freund und Waffenbruder, vor weiterem Unheil zu schützen?
Gleichgültig, sein Handeln war inakzeptabel. Ungeachtet ihrer langjährigen Freundschaft – Lügen konnten niemals toleriert werden. Und Grimms Lügen hatten einen Keil zwischen ihn und seine Frau getrieben, der Hawk dazu veranlaßt hatte, nach Uster aufzubrechen. Was, wenn er nicht wegen Adrienne umgekehrt wäre? Wie weit hätten Grimms Lügen sie beide voneinander getrennt? Was hätte Adam seiner Frau angetan, wenn er nicht zu ihr zurückgekehrt wäre?
Des Hawks Mund verhärtete sich.
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