Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman
Du solltest zusehen, dass deine Füße den Heimweg finden.«
Jeels lächelte über diesen groben Hinweis und stand auf. »Darf ich noch einmal wiederkommen oder dich zu einem Gegenbesuch einladen? Es gibt so vieles, was ich noch wissen möchte.«
Tedamöh wackelte nur unbestimmt mit dem Kopf. »Wir werden sehen.«
Von draußen war eine Stimme zu hören. »Ja wenn das nicht der Hund vom Zauberer ist! Du bist aber ein Lieber!«
»Ach«, seufzte Tedamöh, »das ist Onno, mein Enkel.«
Jeels nickte. »Ich habe ihn schon kennengelernt.«
»Seine Mutter ist bei seiner Geburt gestorben und sein Vater, mein Sohn, auf See geblieben. Seitdem lebt Onno bei mir.« Ihre Stimme klang gleichmütig, aber Jeels sah die Trauer in ihren Augen. Dann stieß sie unvermittelt ein liebevolles, meckerndes Lachen aus. »Er ist genauso wenig zu bändigen wie seine alte Großmutter.«
Die Tür flog auf. »Oma, da ist ein Hund draußen, der gehört …« Der Junge verstummte und riss die Augen auf. Dann verbeugte er sich strahlend. »Herzlich willkommen, Herr Zauberer.
« Wie eine Trophäe schwenkte er den ehemals verletzten Arm vor und zurück.
Jeels musste gegen seinen Willen lachen. Dieses Kind war auf so charmante Weise spitzbübisch, man konnte ihm einfach nicht böse sein. Seinen Augen schien nichts zu entgehen, und immer erfassten sie sofort das Wesentliche.
»Wenn du mir einen Dienst erweisen willst, Onno, dann nenne mich bitte niemals wieder einen Zauberer.« Er streckte dem Jungen die Hand entgegen. »Wir haben uns zwar schon kennengelernt, aber nicht mit Händedruck. Ich heiße Jeels!«
Stolz schüttelte Onno ihm die Rechte. »Meine Oma hast du auch schon kennengelernt, wie ich sehe.« Er trat nahe an Jeels heran. »Sie ist nicht so kratzbürstig, wie es den Anschein hat«, raunte er ihm zu.
»Ich verstehe«, wisperte Jeels lächelnd zurück.
»Es gehört sich nicht zu flüstern, Onno. Du gehst jetzt in den Stall und holst die Eier, damit ich uns was zu essen machen kann. Und danach kannst du mir mit den Tieren helfen.«
Onno murrte, verschwand aber gehorsam.
»Er ist nicht verkehrt, auch wenn die Leute es sagen.«
»Ich wäre stolz, solch einen Sohn zu haben«, sagte Jeels. Die Alte wandte darauf den Kopf leicht zur Seite, doch wenn ihn nicht alles täuschte, dann sah Jeels, wie sich ihr Mund in dem Moment zu einem breiten Lächeln verzog.
Benno kam ihm schwanzwedelnd entgegen, als er vor die Türe trat. Tief atmete Jeels die frische Meerluft ein, und ihm wurde leicht ums Herz. Es schien, als hätte er auf der Insel weitere Freunde gefunden.
14
H ell stand der Mond am Himmel. Der wichtigste gesellschaftliche Anlass des Tages, das gemeinsame Abendessen, war vorbei. Frau Bartling hatte die Tafel aufgehoben, und alle Gäste nahmen widerspruchslos Abschied von den angebotenen Delikatessen und dem Wein. Sie folgten der Hofrätin zum Pavillon im Park, wo an diesem milden Abend ein Geigenspieler sein Können zum Besten gab. Er wurde begleitet von einem Pianisten, der seinem Instrument Töne entlockte, die wie Regentropfen klangen.
Bei der Errichtung des Pavillons schien ein griechischer Tempel als Vorbild gedient zu haben. Eigens vom Festland georderte dicke Eichenstämme bildeten die Säulen, kunstvoll arrangierte Fichtenbalken die Wände. Oft war der Pavillon Treffpunkt der Badegäste. Nach dem Morgenbaden, zum Kaffee am Nachmittag und - wie jetzt - an den Sommerabenden zum Tanz. Dort oder auch im Logier- und Konversationshaus sorgten mehr als fünfzig Bedienstete über den Tag verteilt für das Vergnügen und die Verköstigung der Gäste. Da gab es Kammerdiener und Badeweiber, Kellner und Köche, Serviermädchen, Wäscherinnen und Garderobenfrauen. Ganz zu schweigen von den Dekorationsmalern, Rechnungsführern und Musikern.
Alleine jetzt eilten sieben Diener umher, um Getränke zu verteilen. Kaffee und Tee wurden gereicht. Die Herren nahmen jedoch zumeist stärkere Getränke zu sich. Die ersten Paare drehten sich auf der Tanzfläche zu den Klängen der Musik.
»Würden Sie mir die Ehre zuteilwerden lassen?« Ein junger Badegast streckte Wemke mit einer leichten Verbeugung die Hand entgegen.
Diese schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, mein Herr. Diesen Tanz habe ich schon meinem Gatten versprochen«, sagte sie mit fester Stimme.
Der junge Mann zuckte bedauernd die Schultern. Wemke eilte zu Konrad. Er stellte seinen Kaffee zur Seite und ließ sich auf die Tanzfläche ziehen. In seinen Armen atmete Wemke auf. Es
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