Das Geheimnis der italienischen Braut
sie sich. Es war sinnlos, den Erinnerungen nachzuhängen. Es war viel zu gefährlich und brachte sie aus dem seelischen Gleichgewicht. Kate brauchte Eltern, die sich im selben Raum aufhalten konnten, ohne sogleich aufeinander loszugehen und sich zu bekämpfen. Aus eigener Erfahrung wusste sie, welchen Schaden eine zerstörte Beziehung der Eltern in Kinderseelen anrichten konnte.
Romano und sie mussten vernünftig und sachlich miteinander umgehen, um Kate die Sicherheit und Unterstützung zu geben, die sie brauchte.
Sie beugte sich vor und prüfte ihr Make-up im Spiegel der Frisierkommode. In den letzten Tagen hatte Romano sie oft angerufen. Sie hatten Kaffee zusammen getrunken und auch wieder zusammen gegessen. Ihre Gespräche drehten sich meist um Geschäftliches, und es schien der Beginn einer Freundschaft zu sein, die hoffentlich stark genug war, um das auszuhalten, was sie ihm mitteilen musste.
Heute auf der Hochzeitsfeier würde sie sicher eine Möglichkeit finden, sich mit ihm für morgen zu verabreden.
„Jackie, bist du fertig?“, rief Scarlett in dem Moment und lief über den Flur.
„Ja, ich komme“, antwortete Jackie. Mit der Stola und der passend zu dem Kleid mit Zierperlen bestickten Abendtasche in der Hand verließ sie ihr Zimmer und ging so graziös wie in den eleganten hochhackigen Schuhen möglich die Treppe hinunter in die mit Marmor ausgelegte Eingangshalle, wo sich schon alle versammelt hatten.
„Lizzie, du bist eine wunderschöne und strahlende Braut“, sagte sie bewundernd und blieb auf der vorletzten Stufe stehen.
„Gut zu wissen, dass ich so wirke, denn diese beiden hier“, sie legte die Hand auf ihren Bauch, „scheinen ein Fußballmatch nach eigenen Regeln auszutragen. Ich bin schon ganz erschöpft“, erwiderte ihre Schwester lächelnd.
Jackie ging auf sie zu und küsste sie auf die Wange. „Ich nehme an, du strahlst nicht trotz, sondern auch wegen der Zwillinge, die du erwartest.“ Sie seufzte. „Du hast so viel, worauf du dich freuen kannst …“ Sie verstummte entsetzt. Warum hatte sie das jetzt gesagt? Normalerweise hatte sie sich perfekt unter Kontrolle, doch die Worte waren nur so aus ihr herausgesprudelt, ehe sie sie hatte zurückhalten können.
Lizzie hatte in der Tat wirklich allen Grund zur Freude. Wieder einmal wurde Jackie bewusst, was sie vermisst hatte. Sie wünschte, sie hätte Kate heranwachsen gesehen und sie selbst großgezogen.
In dem Moment legte ihr Scarlett die Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. Offenbar ahnte sie, was in Jackie vorging.
„Ist alles in Ordnung?“, erkundigte sich Lizzie besorgt.
Rasch setzte Jackie eine unbekümmerte Miene auf und versicherte ihr: „Natürlich. Ich bin nur ein bisschen gerührt, immerhin ist es ein besonderer Tag.“
Ihre Mutter verdrehte die Augen. „Meine Güte, es geht nicht immer um dich, Jackie.“
„Das weiß ich, mamma . Ich habe es endlich begriffen“, entgegnete sie ruhig und war beinah etwas stolz auf sich, weil sie nicht so ärgerlich und gereizt auf die gehässige Bemerkung ihrer Mutter reagierte, wie sie es noch bis vor Kurzem garantiert noch getan hätte.
6. KAPITEL
Die standesamtliche Trauung fand im engsten Familienkreis im Rathaus von Monta Correnti statt, einem alten und beeindruckenden Gebäude. Als Jack Lewis seiner Braut Lizzie den Ring an den Finger steckte und sie voller Liebe ansah, waren alle zu Tränen gerührt. Anschließend fuhren sie in mehreren Limousinen zum See, wo sie in mit weißen Bändern geschmückten Schnellbooten auf Romanos Insel übersetzten. Während sie sich dem luxuriösen Palazzo näherten, verspürte Jackie eine seltsame innere Unruhe. Es fehlt nur noch, dass ich vor Aufregung zu zittern anfange, schoss es ihr durch den Kopf.
Zu der kirchlichen Zeremonie und dem Empfang hatten sich zahlreiche Gäste im Palazzo, auf der Terrasse und in den Gärten der „Isola del Raverno“ versammelt.
Jackie versuchte, die Gedanken an Romano zu verdrängen, was sich als unmöglich erwies. Das Gespräch, das sie am nächsten Tag mit ihm führen wollte, trübte ihre Stimmung, denn es kam ihr vor wie eine einzige Bedrohung.
Doch heute ging es nicht um sie, da hatte ihre Mutter ausnahmsweise einmal recht. Auf der Fahrt von Monta Correnti zum See Adrina hatte sie über die Bemerkung ihrer Mutter nachgedacht. Es war etwas Wahres daran. Als mittlere von drei Schwestern hatte sie das Gefühl gehabt, um Aufmerksamkeit kämpfen zu müssen, und sie hatte gelernt,
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