Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jadefigur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christel Mouchard
Vom Netzwerk:
verneigte er sich noch einmal, verwirrter denn je.
    »Ich wusste ja nicht …«, begann er stammelnd. »Wenn ich geahnt hätte, dass Sie erwachsen sind, hätte ich diese Nachricht nicht geschickt. Es ist normal, dass Sie nach dem tragischen Tod Ihres Vaters hergekommen sind, um Ihr Erbe in Besitz zu nehmen.«
    Nina erschauderte innerlich. Sie verabscheute diese Worte: »tragischer Tod«.
    Sie atmete tief ein: Ihre Zukunft in Indochina entschied sich in genau diesem Augenblick, dessen war sie sich sicher. Wenn dieser Professor Morton sie für eine erwachsene Frau hielt, war sie gerettet. Merkwürdigerweise wirkte sich diese Gewissheit auf ihre Sprache aus. Überrascht hörte sie, wie sie mit einer erschreckenden Sicherheit log.
    »Natürlich, ich habe alle notwendigen Papiere bei mir, mit denen ich problemlos meine Identität nachweisen kann.«
    Sie versteifte sich, um die aufrechte Haltung ihrer Tante zu imitieren – so sehr, dass sie Nackenschmerzen hatte. Doch es blieb nicht ohne Wirkung. Der Professor hatte scheinbar nur ein Bedürfnis: wie ein Kaninchen zu flüchten, was in Anbetracht der Körperfülle, die er zu tragen hatte, schwierig sein würde.
    »Es besteht keine Notwendigkeit, Ihre Identität nachzuweisen, Mademoiselle«, artikulierte er und machte einige Schritte in Richtung Ausgang. »Ihre Ähnlichkeit mit Ihrer verstorbenen Mutter …«
    »Im Gegenzug«, insistierte Nina, die dem Vergnügen nicht widerstehen konnte, ihrem Besucher noch mehr zu schaffen zu machen, »wäre es mir nützlich, über die Ihre Gewissheit zu haben. Ich bin ziemlich überrascht, muss ich sagen, Sie völlig unangekündigt in meinem Haus vorzufinden, mitten im Wohnzimmer.«
    Professor Morton hob beteuernd die Hände.
    »Oh, ich bitte Sie, mich zu entschuldigen. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie da sind …«
    »Sie wussten jedenfalls, dass mein Vater
nicht
hier sein würde.«
    Nina runzelte die Stirn. Sie war über die Wirkung entzückt: Es war das erste Mal, dass sie einem Mann Angst machte. Er wurde rot und und konnte nur noch stammeln.
    »Natürlich, ich … ich … Sie verdächtigen mich doch hoffentlich nicht. Ich hatte Ihrem Vater ein altes, wertvolles Objekt anvertraut, Eigentum des künftigen Museums. Und ich habe mich gefragt, ob es hier wäre.«
    »Einen wertvollen Gegenstand? Sagen Sie mir einfach, wonach Sie suchen. Allerdings habe ich bereits alle Schubladen und Schränke geöffnet. Es gibt hier nichts Wertvolles.«
    Professor Morton war so weit zurückgewichen, dass er inzwischen auf der Türschwelle des Hauses stand.
    »Wenn Sie es sagen, dann ist mein weiteres Suchen wohl überflüssig. Ich bitte Sie, mein Eindringen zu entschuldigen. Ich hoffe, Ihnen bald unter günstigeren Umständen zu begegnen. Mademoiselle d’Armand, ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.«
    Noch einmal verneigte er sich und verschwand in der Dämmerung.
    Nina blieb einen Moment lang bewegungslos mit verschränkten Armen stehen und schaute auf die offene Tür, bis ein Krampf im Nacken sie zwang, sich zu bewegen.
    Sie war wieder allein im Haus. Allein mit ihren Erinnerungen.
    »Ich nehme an, für das hier werde ich meinen ganzen Mut brauchen, meine kleine Mutter …«, sagte sie zu der jungen hübschen Frau im Sommerkleid auf dem Foto.

Wut im Herzen
    Tam war nicht allein in der Pagode. Und das machte sie wütend. Zu dieser Tageszeit war dort eine große Menschenmenge versammelt. Der Tempel war erfüllt von Gebetsgemurmel und die Luft war voller Weihrauch. Man konnte nicht einmal den Buddha sehen, so viele Köpfe waren vor der Statue, was Tams Wut alles andere als zuträglich war.
    Sie hatte gehofft, beim Beten im Tempel ein wenig inneren Frieden wiederfinden zu können, aber immer wieder gingen ihr Antoinette d’Armands Worte durch den Kopf: »Sag das nicht. Nichts ist unmöglich … Frankreich wird modern, vieles ändert sich.«
    Was erlaubte sich dieses Mädchen eigentlich? Dieses junge Ding mit seiner unflätigen Sprache, seinem anmaßenden Lachen und all dem, was eine wirkliche junge Dame niemals tun würde? Und wenn man daran dachte, dass sie genug Geld hatte, um sich Kleider mit Spitze zu leisten … Und dann auch noch dieser Teng Wenji, der sie zum Essen einlud. Für
ihn
war nichts unmöglich. Er konnte sich alle Bücher und alle Schulen dieser Welt leisten. Die beiden hatten ja keine Ahnung, was es bedeutete, sich nicht einmal einen einfachen Winkelmesser für die Schule kaufen zu können.
    Und jetzt auch noch diese Menschenmenge,

Weitere Kostenlose Bücher