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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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und dass eine Revision bevorsteht. Die Sache riecht nach Gericht und Gefängnis. Herr Blinow brauchte dringend Geld, um die Unterschlagung auszugleichen. Darum hat er den raffinierten P-Plan entworfen. Die Umstände fügten sich auch gar zu verlockend, nicht wahr? Der einzige Sohn von Frau Baskakowa kam ums Leben, die Gutsbesitzerin erlitt vor Kummer einen Herzanfall, und ihr Verstand verdüsterte sich. Vermutlich hat sieselbst davon gesprochen, dass die Skarpea sie als die Letzte vom Geschlecht der Baskakows holen werde. Denn kurz zuvor hatte Herr Petrow diese alte Legende ausgegraben … Sie wussten, dass dann Warwara Iljinitschna das Gut Baskakowka erben würde, Ihre Gleichgesinnte, was die Begeisterung fürs G-Gemeinwohl angeht … Sie sind ein redegewandter Mann, und Sie vermochten das Fräulein ohne große Mühe zu überreden, ein Testament zu Gunsten des Semstwo aufzusetzen …«
    »Sie sagen es selbst: des Semstwo, nicht zu meinen eigenen Gunsten!« Blinow versuchte zum zweiten Mal, den Angriff abzuwehren.
    »Sogar Tulpow hat begriffen, was für ein Vorteil dem Treuhänder der gesellschaftlichen Liegenschaften aus dem Recht erwächst, die Grundstücke zu verpachten.«
    Bei dem Wort »sogar« schob Tulpow gekränkt die Lippe vor, doch Fandorin sagte zu ihm: »Tulpow, hier riecht es nicht nach fünf- und nicht nach zehntausend Rubeln Schmiergeld, wie Sie in Ihrem Brief vermuteten, sondern nach bedeutend mehr. Die Pacht für die Sommergrundstücke bringt den Bauunternehmern einen Gewinn von zweihunderttausend im Jahr, so dass sie nicht an Schmiergeldern sparen werden.« Der Kollegienrat schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, die M-Mode der Sommergrundstücke wird früher oder später die Behörden im Moskauer Umland völlig verderben. Gar zu groß ist die Versuchung der leichten Bereicherung.«
    Fandorin holte ein Taschentuch hervor und rieb sich sorgfältig das Gesicht ab, die Falten verschwanden nach und nach, und die Haut wurde immer heller.
    »Drei Morde, Blinow. Das ist das Ergebnis Ihrer Mystifikation. Um die arme Frau Baskakowa unter die Erde zu bringen, reichte es, ihr die fernöstliche Schlange zu zeigen. Aber bei Warwara Iljinitschna mussten Sie sich schon die Hände schmutzig machen. Es war wirklich ein zusammengedrehtes Handtuch, Tulpow. Ichdenke, dass Sie in diesem Fall das Bild des Verbrechens richtig wiedergegeben haben. Eine kühne Idee – den Moskauer Ermittler zum Augenzeugen zu machen. Blinow, Sie haben die ›Skarpea‹ ein bisschen unter dem Fenster herumkriechen lassen, und die ›Zauber‹version erhielt noch eine Bestätigung … Übrigens, wie heißt Ihre Freundin?« Fandorin deutete mit dem Kopf auf den Sack.
    Blinow hatte wohl begriffen, dass Leugnen zwecklos war, und griente schief.
    »Viktoria … Muss ich mich nun als verhaftet betrachten?«
    Der Chef wandte sich ab und sagte leise: »Das überlasse ich Ihnen.«
    Tulpow glaubte sich verhört zu haben. Blinow schluckte und blinzelte verwirrt. Dann verbeugte er sich knapp: »Danke …«
    Er nahm die Flinte am Riemen und ging langsam davon. Im Gehen pflückte er eine kümmerliche Sumpfblume und roch an ihr. Noch ein paar Schritte, und hinter ihm schloss sich das übermannshohe Gras.
    »Wird er nicht fliehen?«, fragte Tulpow.
    »Wohin? Durch Russland ziehen und um Almosen betteln? Das l-liegt dem Herrn nicht. Wenn er aber gefasst wird, bekommt er lebenslängliche Zwangsarbeit. Wir geben ihm fünf Minuten, damit die Semstwo-Idee nicht unnötig kompromittiert wird. Jagdunfälle sind keine Seltenheit.« Fandorin wischte sich angewidert die Wange ab, die von rosa Einstichen übersät war. »Schnell zurück nach Moskau. Dieses Pleinair hier gefällt mir nicht. Das sind ja keine Mücken, sondern Piranhas.«
    »Chef …«, druckste Tulpow.
    »Was denn noch?«
    »Angelina, die Tochter Krascheninnikows … ein hochanständiges Mädchen. Sie hat Entsetzliches durchgemacht und ist jetzt mutterseelenallein. Hier geht sie zugrunde. Ein Jammer. Können wir nicht irgendwas für sie tun?«
    »Na schön. Wir nehmen das ›hochanständige Mädchen‹ mit.«
    Im Gestrüpp krachte ein Schuss, übers Moor rollte ein kurzes, hastiges Echo.
    Tulpows Schultern zuckten, er bekreuzigte sich dreimal. Den Trottel hingegen erheiterte der knackende grollende Laut. Immer noch den geliebten Sack streichelnd, rief er: »Peng!«
    Und lachte freudig.

Ein zehntel Prozent
     
    1
     
    Die Quartalsberatung der Rechtsschutz-Instanzen in Anwesenheit Seiner Erlaucht verlief

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