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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Händen immer wieder die Zügel straff, um das Deichselpferd zu bremsen, das ständig trachtete, den vorderen Schlitten einzuholen, dabei sah er aber nicht nach vorn, sondern rückwärts zu dem Japaner.
    »Also wie, wenn du nach Gottes Ratschluss lebst, wirst du in einem höheren Rang wiedergeboren? So ist das bei euch?«, wollte er von Masa wissen. »Ich wäre dann zum Beispiel nicht Diakon, sondern Oberpriester, ja? Und sollte ich als Oberpriester nichts Böses tun, könnte ich gleich Bischof sein, was?« Er lachte ungläubig.
    Sie reden über die buddhistische Wiedergeburt der Seelen, erriet Fandorin. Nun war Masa an der Reihe zu missionieren.
    Zunächst spendierte er seinem Gesprächspartner einen Fruchtbonbon, von denen er einen ordentlichen Vorrat bei sich führte.
    Dann sagte er, ihm schmeichelnd: »Du kannst gleich Bissof werden, wenn du ein gans, gans gerechtes Leben führst. Aber dein Pope wird als Klöte wiedegeboren, das sage ich dir.«
    »Vater Vikenti? Als Kröte?« Warnawa schüttelte sich vor Lachen. Dann wurde er ernst und überlegte. »Na ja, euer Glaube ist auch nicht schlecht, doch unsere rechtgläubige Religion ist trotzdem besser.«
    »Wieso? Wieso?«, ereiferte sich Masa.
    »Sie ist barmherziger. Der Mensch bekommt mehr Hilfe von Gott, besonders wenn er schwach ist. Und worauf läuft das bei euch hinaus? Wenn du schwach von Seele und zaghaft von Herzen bist, bringst du’s bloß bis zum Blutegel. Und keiner stärkt dich, stützt dich – nicht Jesus Christus, nicht die Gottesmutter, nicht die wohlgeneigten Engel? Schrecklich ist das für den Einzelnen. Jesus Christus ist warmherziger als euer Buddha, mit ihm lebt sich’s leichter, ist einem lichter ums Herz. Da ist mehr Hoffnung.«
    Der Japaner schnaufte, er schien keine Antwort zu wissen. In der Theologie war der einstige Yakuza nicht sehr beschlagen.
    Der Diakon, der seinen Opponenten wanken sah, ging zum Angriff über.
    »Wollen Sie sich nicht mal bekreuzigen?«, sagte er herzlich. »Schlechter wird’s Ihnen davon nicht gehen, und für mich wär’s ein Glück, eine lebendige Seele zu Christus zu führen. Wirklich, mein Herr, was macht es Ihnen aus?«
    »Geht nich.« Masa holte tief Luft. »Bei uns heißt es: Diene dem Fürsten, dem sson dein Vater gedient hat. Und es heißt: Der wahre Glaube ist in der Tleue.«
    Da verfiel der Diakon in Nachdenken.
    Fandorin störte den frommen Disput nicht weiter, er wandte sich dem dritten Schlitten zu, in dem Jewpatjew saß.
     
    Dies war ein richtiges Häuschen auf Kufen: umhüllt von Filz, mit einem Schornstein auf dem Dach, aus dem Rauch quoll, und einem Fensterchen, in dem Licht brannte.
    Auf dem Bock saß der Kutscher in einem gewaltigen Pelz, er sah aus wie eine Fellkugel und sang mit heiserer Stimme:
     
    Ich war damals noch eine junge Frau,
    Da rückte unser Heer zum Feldzug aus …
     
    Das Lied passte bestens, es war lang und hatte einen romantischen Inhalt: von der unerfüllten Liebe eines einfachen Mädchens zu einem jungen Offizier.
     
    Er hat getrunken, weil er gehen muss,
    Beugt sich herunter, gibt mir einen Kuss,
     
    sang der Bärtige gefühlvoll, da wurde das Türchen des Schlittens einen Spaltbreit geöffnet.
    »Erast Petrowitsch, Sie? Noch nicht schlapp? Sie rennen ja wie ein Hase. Dabei sind Sie auch kein Jüngling mehr, Ihr Bart ist zur Hälfte ergraut. Setzen Sie sich zu mir, wärmen Sie sich auf«, sagte der Industrielle einladend.
    Fandorin war noch nicht »schlapp« und schon gar nicht durchgefroren, aber er nahm die Einladung an. Dieser Mann weckte sein besonderes Interesse.
    Im Innern des Schlittens war es sehr behaglich. Man sah sofort, dass Jewpatjew im Winter oft unterwegs und an Reisekomfort gewöhnt war.
    An den Wänden brannten rechts und links zwei helle Petroleumlampen, und in einer Ecke bullerte ein eisernes Kohleöfchen. Am meisten aber staunte Fandorin über die innere Verkleidung der Wände.
    »Was ist das, Hermelin?«, fragte er und strich mit der Hand über das weiße Fell mit den schwarzen Pinselchen. Dabei hatte er das Gefühl, einem schönen jungen Mädchen das Haar zu streicheln.
    Jewpatjew lachte, dass seine weißen Zähne nur so blitzten.
    »Schon mein Vater hat gesagt: Wer sich üppig präsentiert, bekommt leichter Kredit. Wir Jewpatjews machen nichts ohne Berechnung.«
    »Ich e-erlaube mir, daran zu zweifeln. Wenn Ihre Vorfahren so pragmatisch gewesen wären, hätten sie sich längst vom Alten Glauben losgesagt.«
    »Sie irren. Für einen Kaufmann und

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