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Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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es. Vor mir reden sie natürlich kein Wort, doch ich kenn diese Hinterwäldler durch und durch. Irgendein Dämon zieht seine Kreise, will Seelen fangen. Es wird noch mehr Tote geben, wenn wir den Satan nicht rechtzeitig zu fassen kriegen. Deshalb bin ich jetzt mitgefahren. Aber ich fürchte mich, Erast Petrowitsch. Nicht vor diesem Satan,aber davor, dass mein Scharfsinn nicht ausreicht. Sie sind, wie ich sehe, ein Mann mit viel Erfahrung. Wollen Sie mir nicht helfen? Ihr Nordpol kann warten, der läuft nicht weg. Vier Augen sehen mehr als zwei. Wenn Sie was bemerken, flüstern Sie’s mir. Und ich Ihnen.«
    »A-Abgemacht.« Fandorin nickte, ein solcher Helfer konnte nicht schaden.
    Die Verbündeten zogen einen Handschuh aus und bekräftigten die Übereinkunft mit einem eisernen Händedruck.
     
    Im Paradies
     
    Bis zum nächsten Dorf waren es fünfundvierzig Werst Fahrt auf dem Fluss. Kryshow hatte versprochen, bis zum Morgengrauen würden sie es schaffen. Das Schneegestöber kostete etwas Zeit, auf dem Eis hatten sich Verwehungen gebildet, aber die an Winterwetter gewöhnten Pferde überwanden die Hindernisse mühelos. Nur die Troika machte ihnen zu schaffen, denn das Deichselpferd hatte sich das Bein an der Schneekruste aufgerissen und lahmte. Nichtsdestoweniger sahen die Reisenden am Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen den frostigen Himmel aufhellten, wie am rechten Ufer der Wald sich öffnete und auf der großen Lichtung, in rosa Dunst gehüllt, das Dorf in Sicht kam.
    »Da ist es, das Paradies«, konstatierte Kryshow zufrieden; in seinem Schlitten hatte Fandorin, der lange genug gelaufen war, die zweite Nachthälfte verbracht (der Psychiater war zum Schlafen in Jewpatjews Kutsche gestiegen).
    Die poetische Metapher klang aus dem Mund des Zynikers Kryshow ein wenig überraschend, aber es war tatsächlich eine paradiesische Gegend: die anheimelnde runde Lichtung, auf drei Seiten von Kiefernwald umgeben, dazu der breit dahinströmendeFluss – selbst im Winter war diese Landschaft idyllisch anzuschauen, und im Sommer war sie gewiss ein richtiges Paradies.
    Als sie näher heranfuhren, sahen sie, dass die Häuser des Dorfes noch schmucker waren als in Denisjewo – mit Schnitzwerk verzierte Fensterläden, blecherne Wetterfahnen, Dächer in verschiedenen Farben, was für russische Bauernhäuser ganz ungewöhnlich war.
    Aber Kryshow äußerte sich missbilligend über diese Schönheit.
    »Hei, was für ein Paradies sie sich gebaut haben, die Parasiten!«
    Und er erklärte, dass Paradies der Name der Siedlung sei und hier nur zugezogene Leute lebten, Gusljaken.
    »Sie spielen wohl auf der Gusli 9 ?«, fragte Fandorin befremdet.
    »Das auch, aber der Name kommt nicht daher. Hier leben Leute aus Gusliza, seit etwa hundert Jahren schon. Sie betreiben ein besonderes Gewerbe – sie betteln.«
    »Wie denn?«
    »Berufsmäßig. Sie ziehen durch die Welt der Altgläubigen, die sich bekanntlich bis nach Österreich und der Türkei erstreckt, und sammeln Almosen. Die Stershenezer Gusljaken kennt man überall, sie bekommen reichliche Spenden, da sie Meister im Märchenerzählen und Liedersingen sind. Sie bringen viel Geld nach Hause. Das ist eine ganze Philosophie. Gedacht war sie einmal als Lehre von der Demut und Uneigennützigkeit, aber unsere Bauern sind nun mal geldgierig. Wenn Goldstücke klirren, vergessen sie die Rettung der Seele. Sie sitzen hier auf ihren zusammengerafften Reichtümern. Da, was für Paläste sie sich gebaut haben! Aber fromm sind sie, das ist nicht zu bestreiten. Die Welt ist ihnen die Hölle, ihr Heim das Paradies, darum haben sie auch das Dorf so genannt. Und noch was ist hier interessant. Betteln gehen nur die alten Männer und Frauen, sie sind die wichtigsten Verdiener. Die jungen Leute setzen keinen Fuß aus dem Dorf, sie dürfen nicht. Sie müssen zu Hause bleiben, die Wirtschaft führen. Solange ihreSeelen nicht reif sind, könnten sie ja den Verlockungen der Welt erliegen.«
    »Eigenartiger modus vivendi«, murmelte Fandorin, richtete sich im Schlitten auf und blickte mit wachsender Unruhe auf das Dorf. »Hören Sie, warum sind die Straßen menschenleer? Das gefällt mir nicht. Es bellen auch keine Hunde.«
    »Hunde halten sie hier nicht, das wäre Sünde. Und warum niemand zu sehen ist, werden wir gleich klären.«
    Kryshow gab dem Pferd die Peitsche. Gleich darauf glitt der Schlitten zwischen hohen einstöckigen Bauernhäusern dahin: Das Erdgeschoss war der geheizte Teil des Hauses, der

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