Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen

Titel: Das Geheimnis der Jadekette - Fandorin ermittelt Kriminalerzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
auf Photopapier! Kommen Sie mit, Doktor Scheschulin?«
    »Natürlich.« Der Psychiater lächelte. »Eine Sanitätsabteilung für Epidemieschutz? Keine schlechte Idee.«
    Der Wachtmeister schob die Schapka zurecht, unter der eine verwegene Strähne hervorlugte.
    »Ich komme auch mit. Wir müssen das unterbinden, die Aufwiegler ermitteln und festnehmen. Ich dulde auf meinem Territorium keine Schandtaten!«
    Der Industrielle, der den Polizisten zu kennen schien, sagte: »Mit dir, Odinzow, wird keiner von denen reden. Du störst uns nur. Du weißt ja selbst, für die Hiesigen ist ein Abtrünniger schlimmer als ein Rechtgläubiger.«
    »Sie, Herr Jewpatjew, haben mir gar nichts zu sagen«, widersetzte sich Odinzow. »Ich diene nicht Ihnen, sondern dem Staat. Und Ihre Erlaubnis brauche ich nicht. Ich habe gottlob mein eigenes Gespann.«
    »Soll er mitfahren«, sagte der Psychiater. »Wenn die Epidemie bedrohliche Ausmaße annimmt, muss man auf alles gefasst sein. Dann kommt ein bewaffneter Polizist zustatten.«
    »Nehmen Sie auch mich mit«, bat Vater Vikenti. »Es wäreunbarmherzig, einen Geistlichen in einem Dorf von Altgläubigen zurückzulassen. Deren Böswilligkeit wäre eine Gefahr für Leib und Leben.«
    Er legte die flache Hand auf seinen stattlichen Bauch.
    Diese Bitte wunderte Fandorin sehr. Erst vor wenigen Minuten hatte er den Geistlichen ganz friedlich mit dem Starosta und mehreren Alten sprechen sehen. Die hatten mehrmals genickt, als stimmten sie ihm zu oder akzeptierten seine Beileidsworte. Fandorin hatte sich noch gefreut, dass der Dechant wohl doch kein fühlloser Klotz war, sondern ein zum Mitleid fähiger Diener Gottes.
    »Sie, Väterchen, können unserm Trupp nun rein gar nichts nützen«, widersprach Scheschulin respektvoll. »Sie wären nur ein weiteres Ärgernis für die ohnehin schon gereizte Seelenverfassung.«
    Vater Vikenti hob den Finger.
    »Schande über Sie, und so was ist Arzt. Es steht geschrieben: ›Wer zu mir kommt, den werde ich nicht zurückstoßen.‹ Wenn Sie mich hier dem Verderben ausliefern, werde ich Ihnen heulend hinterherlaufen, und Sie werden sich schämen müssen.«
    »Wirklich, hierlassen geht nicht«, sagte Fandorin seufzend. »Und was das Ärgernis betrifft, so kommt es nicht mehr drauf an. Wo ein P-Polizist ist, kann auch ein Pope sein. Fahren wir, meine Herren. Die Zeit ist kostbar.«
     
    Gespräche und Gesänge
     
    Die Fahrt auf dem Fluss war bei Nacht nicht schwieriger als am Tag. Kaum war Denisjewo hinter einer Biegung verschwunden, setzte die Dämmerung ein, aber ganz dunkel wurde es nicht. Das Wetter war umgeschlagen. Die Wolken hatten sich aufgelöst, amHimmel leuchteten Sterne, und der weiße Weg zwischen den schwarzen Ufern war gut zu sehen. Das Tauwetter wich nach und nach frostiger Luft, der Schnee knirschte knackig unter den Pferdehufen und den Schlittenkufen.
    Vornweg fuhr, als der Erfahrenste, Kryshow, bei dem Doktor Scheschulin Platz genommen hatte. Dieser besaß zwar ein eigenes Gefährt, eine elegante Troika, die er schon in Wologda gemietet hatte, zusammen mit dem Kutscher. Doch der hatte sich in Stershenez volllaufen lassen, und da war ein Denisjewoer Bauer, der nach Hause wollte, für ihn eingesprungen, da Scheschulin selbst mit der Troika nicht zurechtgekommen wäre. Eigentlich taugte sie auch nicht für die hiesige Gegend. Die Stershenezer fuhren mit einem Pferd oder höchstens zweispännig, so kamen sie leichter über die schmalen Straßen, und die Pferde waren hier im Norden, wenn auch unansehnlich, so doch zugstark, ausdauernd und an Kälte gewöhnt. Die gemietete Troika hingegen lief holperig, die Tiere traten oft fehl, und der Schlitten war kaum für längere Fahrten geeignet – er schleuderte und knarrte wie ungeschmierte Torangeln. Warnawa lenkte die Troika, mit ihm fuhr der Japaner.
    Der zweite Gottesdiener saß bei dem guten Aloisi Kochanowski im Schlitten, der an das starke Gefährt des Industriellen Jewpatjew angehängt war.
    Am Ende der Expedition fuhr Wachtmeister Odinzow in einem leichten Schlitten mit Kufen, so breit wie Schneeschuhe, die sich für Fahrten im Wald wie querüberfeld gleichermaßen eigneten.
    Fandorin war einstweilen bei keinem eingestiegen, er wollte sich Bewegung verschaffen und an die zehn Werst mit seinen eigenen zwei Beinen laufen. Schapka und Halbpelz hatte er abgelegt; mit Genuss die klare Frostluft atmend, trabte er neben den Schlitten her in dem gleichmäßigen, federleichten Laufstil, den er vor längerer

Weitere Kostenlose Bücher