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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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stören?
         »Nicht
klug, in der Nacht allein herumlaufen«, sagte er auch schon,
setzte sich aber unaufgefordert an ihre Seite. »Gefährlich
für jede Frau, vor allem aber für Lao Wai. Es gibt Räuber
in der Gegend. Für Lao Wai bekommen sie gutes Lösegeld. Und
wenn das nicht passiert, dann fressen Sie die Mücken.«
         Viktoria
schnaubte leise. Sie hasste es, zurechtgewiesen zu werden.
Gleichzeitig begannen ihre Arme und Beine zu jucken, als habe sie
Flöhe. Mühsam unterdrückte sie den Wunsch, sich zu
kratzen.
         »Ihr
Englisch wird besser«, meinte sie nur, denn das war ihr an
seinen Worten positiv aufgefallen. Sie wies bewusst nicht darauf hin,
dass es an ihrer Anwesenheit in seinem Leben liegen musste.
         »Ihr
Chinesisch wird auch langsam verständlich«, kam es
sogleich zurück. »Die Mönche beeindruckt, weil Sie
bemüht sind, mit ihnen zu reden, und sich für alles
bedanken.«
         Dieses
Lob, befand Viktoria, enthielt gleichzeitig eine Beleidigung, denn
Jinzi ging wohl davon aus, dass Europäer sich gewöhnlich
schlecht benahmen.
         »Regeln
der Höflichkeit gibt es in allen Kulturen. Sogar bei uns Lao
Wai«, gab sie daher gleich zurück.
         Jinzi
antwortete nicht. Er streckte ein Bein aus. Die Zehen in den
verstaubten Stoffschuhen regten sich.
         »Sie
haben den Mandarin Lao Tengfei vor seinen Dienern angeschrien«,
stellte er fest. Viktoria verschränkte die Arme vor der Brust,
um sich gegen einen weiteren Angriff zu wappnen.
         »Ich
tat es wegen Ihrer Schwester. Es gefiel mir nicht, wie er sie
behandelt hat«, entgegnete sie.
         Jinzi
nickte.
         »Wären
Sie Chinesin, dann jetzt vielleicht tot.«
         Viktoria
zog die Schultern zurück.
         »Ich
bin eben keine Chinesin. Daher konnte ich ihm meine Meinung sagen. Er
sollte hören, was er Chuntian angetan hat.«
         Sie
rechnete mit weiteren bissigen Kommentaren, doch Jinzi nahm diese
Aussage einfach hin. Für eine Weile schwieg er, richtete seinen
Blick auf die nachtgraue, von schwachem Mondlicht erhellte Landschaft
unterhalb der Treppenstufen. Viktoria folgte seinem Beispiel. Sie
musterte dunkle Umrisse von Bäumen und Büschen, die an
zarte, präzise Pinselstriche chinesischer Malerei erinnerten.
         »Der
edle Lao Tengfei holt sich junge Lao Wai ins Haus«, drang
Jinzis Stimme an ihr Ohr. »Hübsche Frau mit gelbem Haar.
Viele Mandarine machen Andeutungen. Das gefällt ihm.«
         Viktorias
Kopf drehte sich schlagartig in Jinzis Richtung.
         »Gab
es deshalb Gerede?«, fragte sie entsetzt.
         Er
kicherte nur.
         »Natürlich
gab es Gerede. Er stritt alles ab. Nur eine echte Chinesin könnte
ihn begeistern, versicherte er immer wieder lachend. Aber das Gerede
gefiel ihm trotzdem.«
         Viktoria
bohrte ihre Fersen in die Stufen. Männer waren auf sämtlichen
Kontinenten dieser Welt einfach unmöglich! Sie versuchte, ihre
Empörung in klare, sittsame Worte zu fassen, doch Jinzi kam ihr
zuvor.
         »Und
da stellt diese Lao Wai sich vor ihn hin und schimpft ihn aus wie
einen unartigen Jungen. Diener bekommen es mit. Er weiß, dass
sie darüber reden werden. Ich hätte zu gern sein Gesicht
gesehen!«
         Sein
Lachen war kurz und heiser. Viktoria fühlte seinen Blick auf
sich ruhen. Auf einmal schien er nicht mehr feindselig, sondern auf
fast zärtliche Weise anerkennend. Ihre Hand hob sich ein paar
Zentimeter von dem Stein der Stufen. Ihr schien, als ob sie über
Jinzis hervorstehende Wangenknochen streichen könnte, ohne
abgewehrt zu werden. Für einen Lidschlag stand Viktorias Atmung
still. Kam Jinzis Gesicht dem ihren tatsächlich näher? Sie
wusste nicht, wie viel die verzauberte nächtliche Welt ihr
vorgaukelte. Wenn sie sich jetzt dumm benahm, würde sie einige
Wochen an der Seite eines Mannes verbringen müssen, der Zeuge
dieses Verhaltens geworden war. Misstrauen mischte sich mit
Verlangen, gewann schließlich die Oberhand und zwang sie, die
Beine zu strecken.
         »Ich
bin jetzt müde. Wir sollten schlafen gehen«, verkündete
sie unnötig laut. Jinzis Gesicht verschloss sich schlagartig,
als sei eine Tür zwischen ihnen zugefallen.
         »Gut.
Dann wir gehen.«

2. Kapitel

    Sie
wurden im ersten Morgengrauen aus dem Schlaf gerissen, mit warmer
Suppe und Sojamilch versorgt und erhielten zum Glück auch die
Gelegenheit, sich zu waschen. Viktoria schüttete erfreut einen
Eimer Wasser über sich

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