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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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aus, denn Jinzi hatte sich taktvoll aus
dem Raum entfernt. An ihren Armen und Beinen entdeckte sie rote
Schwellungen, die bei der ersten Berührung höllisch zu
jucken begannen. Ihr linkes Auge ließ sich trotz aller Mühe
nicht richtig öffnen, heftiges Reiben löste ebenfalls
Juckreiz aus. Dankbar, keinen Spiegel zur Verfügung zu haben,
verfluchte Viktoria alle Mücken Chinas und auch Jinzi, weil er
Recht behalten hatte.
         »Komm,
zieh dich wieder an, wir müssen los!«, riss Yazi sie aus
den Überlegungen, welch grauenhaften Anblick sie wohl derart
zerstochen ihrer Umwelt bot. Viktoria gehorchte. Dann torkelte sie
schlaftrunken die Stufen hinab.
         »Setzen
Sie Hut auf!«, herrschte Jinzi sie an, als sie gerade im
Begriff war, in den Karren zu steigen. Viktoria fluchte leise. Sie
hatte zwar ihr Haar hochgesteckt, aber die Kopfbedeckung in dem
Gästezimmer liegen lassen.
         »Ich
hole ihn. Gleich bin ich wieder da«, rief sie und lief los.
Deweis Angebot, den Hut zu holen, drang nur noch schwach an ihr Ohr,
als sie die Stufen hochrannte. Im Hof stieß sie fast mit einer
Gruppe von Männern zusammen, die ebenfalls im Kloster
übernachtet haben mussten, denn keiner von ihnen trug
Mönchskleidung.
         »Yángguǐzi!«
hörte sie den chinesischen Begriff für fremder Teufel in
ihrem Rücken und fuhr herum. Ihre Laune war bereits schlecht
genug.
         »Haltet
doch einfach den Mund, ihr Schwachköpfe!«, schimpfte sie
spontan auf Deutsch und hastete weiter, um den vermissten Hut zu
holen. Als sie wieder auf den Hof zurückkam, waren die Männer
zum Glück bereits verschwunden. Mit sittsam verborgenem Haar
kehrte sie zu ihren Gefährten zurück.

    ******

         Die
Reise war ein Trotten durch Wiesen, an Feldern vorbei und über
Hügel, alles durchaus malerische Landschaften, die sich aber
ständig wiederholten. Aus Lao Tengfeis Sänfte hatte
Viktoria noch neugierig die vorbeiziehende Gegend gemustert, doch nun
brannte sie vor Ungeduld, endlich nach Shanghai zu gelangen. Das
Geholper auf der unebenen Straße wurde immer quälender,
denn mit jedem Stoß stachen unsichtbare Messer in die bereits
wunden Stellen ihres Körpers. Dewei begann wieder einmal aus dem
Dickens-Roman zu lesen, als hoffe er, dadurch Viktorias Laune zu
verbessern. Sie zwang sich um seinetwillen, zuzuhören und Jinzis
geschmeidigen, muskulösen, abweisenden Rücken vor ihr so
gut wie möglich zu übersehen.
         Sie
waren vielleicht eine Stunde unterwegs, als eine Truppe bewaffneter
Männer auf sie zugeritten kam. Viktoria spürte, wie Dewei
neben ihr zusammenzuckte. Auch Yazi senkte den Blick. Jinzi brachte
den Karren unaufgefordert zum Stillstand. Sie sah die Verkrampfung
seiner Rückenmuskulatur und meinte, seine Angst als kalten
Schauer in ihrem eigenen Körper spüren zu können.
         Ein
Mann, dessen farbenfrohe, prächtige Kleidung ihn als Anführer
kenntlich machte, bellte ein paar Worte. Viktoria verstand nur
chuánjiàoshì, was Missionar bedeutete. Die
übrigen Reiter hatten den Karren indessen umstellt. Viktoria
fühlte Schweiß aus ihren Poren perlen. Gleichzeitig
begannen all ihre Mückenstiche gleichzeitig zu brennen, als
hielte jemand zahllose Flammen gegen ihre Haut. Das chinesische
Gebell ging weiter. Sie spürte die Blicke der Männer wie
Dolchspitzen.
         »Hast
du Papiere dabei?«, flüsterte Dewei ihr zu. Sie merkte,
wie ihr Herzschlag sich beschleunigte, und schüttelte nur stumm
den Kopf.
         Der
Anführer lenkte sein Pferd an ihre Seite. Sein breites, faltiges
Gesicht erinnerte an eine Kröte. Er blickte grimmig drein, wie
es wichtige Chinesen gern taten.
         »Chuánjiàoshì?«,
wiederholte er langsam und nicht einmal unfreundlich.
         »Shì«,
bejahte sie so gefasst wie möglich, denn sie hoffte, nach dieser
Lüge in Ruhe gelassen zu werden. Die schmalen Augen des Mannes
unterzogen sie nochmals einer genauen Musterung. Dann wandte er sich
an Jinzi. Chinesischer Singsang erklang. Viktoria sah, wie Jinzis
Körper sich noch stärker verkrampfte, und verspürte
plötzlich den Wunsch, eine beruhigende Hand auf seine Schulter
zu legen. Im Ernstfall könnte Max von Brandt sie sicher alle aus
einer misslichen Lage befreien. Wenn er endlich aus Korea zurückkam.
         Das
Gespräch ging noch eine Weile weiter, dann winkte der Anführer
mit der Hand und der Karren holperte wieder los. Viktoria lehnte sich
zurück. Es dauerte eine Weile, bis ihr Herz wieder im

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