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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Mannes
leuchteten vor Freude, mit derartiger Aufmerksamkeit beschenkt zu
werden.
         Als
es finster geworden war, löste die Runde sich langsam auf. In
den umliegenden Hütten lagen Matten bereit, doch Viktoria wurde
von Marjorie eingeladen, bei den Frazers im Missionshaus zu
übernachten. Sie wandte sich zögernd an Yazi, und nahm das
Angebot erst an, als sie ein zustimmendes Nicken erhalten hatte.
         Sobald
sie aufgestanden war, hörte sie den alten Mann an Jinzis Seite
etwas rufen. Die Mädchen kicherten lauter als bisher. Sie drehte
sich um, bemerkte, wie Jinzi ihrem Blick auswich und den Greis mit
einer Handbewegung zum Schweigen aufforderte.
         »Was
hat der Mann gesagt?«, wandte sie sich an Dewei.
         »Nichts
Wichtiges. Alte Leute plappern gern.«
         Sie
zerrte wütend an der Hand des Jungen.
         »Jetzt
weiche mir nicht aus und antworte!«
         Er
seufzte.
         »Er
sagte, dass du Jinzi magst, weil du den ganzen Abend in seine
Richtung gestarrt hast«, kam es sehr leise und verlegen. »Aber
alte Leute plappern eben gern. Rege dich bitte nicht auf.«
         »Warum
sollte ich mich aufregen?«, zischte Viktoria. Der Herzschlag
trieb ihr Hitze ins Gesicht. Sie hätte sich ohrfeigen können
für ihr Starren. Und den alten Mann, ganz gleich wie gebrechlich
und krank er sein mochte, hätte sie in diesem Augenblick am
liebsten erwürgt.

    ******

         »Wir
haben leider nur eine Strohmatte für Sie«, erklärte
Marjorie Frazer leicht verlegen. Viktoria beteuerte, damit zufrieden
zu sein, denn im Kloster hatte sie auch nichts Besseres bekommen. Der
persönliche Wohnbereich der Frazers befand sich in der größten
Holzhütte, wo auch der Esstisch stand, und umfasste ein
Schlafzimmer sowie einen kleineren Raum. Dort breitete Marjorie neben
einem Tisch, auf dem sich Bücher bis zur Decke stapelten, die
Matte aus.
         »Sie
sehen aus wie jemand, der mehr Komfort gewöhnt ist«,
erklärte sie unverblümt. Viktoria fühlte ein neues
Aufglimmen von Glut auf ihren Wangen. Warum sah sie selbst in
chinesischer Bauernkleidung noch aus wie die Prinzessin auf der
Erbse?
         »Ich
bin reich aufgewachsen, aber jetzt bin ich arm«, gestand sie.
Marjorie warf ihr einen nachsichtigen Blick zu.
         »Gott
der Herr prüft uns nicht ohne Grund. Sie kümmern sich um
ein verlassenes Kind. Hätten Sie das in Ihrem früheren
Leben auch getan?«
         Viktoria
musste lächeln. Manche Menschen konnten selbst der misslichsten
Lage einen Vorzug abgewinnen.
         »Nein,
das hätte ich vermutlich nicht«, gestand sie. »Aber
meine Sorgen werden dadurch nicht geringer.«
         Marjorie
strich zögernd mit der Hand über ihre Schulter.
         »Vielleicht
ist es Ihre Berufung, für andere Menschen zu sorgen. Wir könnten
hier jede Hilfe gebrauchen.«
         Viktoria
versteifte sich unter ihrem abwartenden Blick. Sie sah Marjories
schlichte, schäbige, zufriedene Erscheinung. Sie erinnerte sich
an all die elenden Gestalten beim Abendessen, die hier Zuflucht
gefunden hatten. Es war ein mutiges, bewundernswertes Leben, dem sie
sich allerdings nicht gewachsen fühlte.
         »Ich
will mir in Shanghai eine neue Arbeit suchen. Ich lebe gern in
Städten. Außerdem gibt es Dinge, dich ich dort klären
muss«, erklärte sie leise, aber bestimmt.
         Marjorie
nahm es hin. Sie reichte Viktoria eine Wolldecke und stellte eine
Karaffe mit Wasser neben dem Bücherturm ab.
         »Ich
kenne eine sehr engagierte Missionarin in Shanghai. Eine englische
Witwe, die nach China kam, um ihr Vermögen in den Dienst der
Armen zu stellen«, plauderte sie dabei so beiläufig wie
möglich.
         »Sie
will vor allem den chinesischen Frauen helfen, denn hier ist unser
Geschlecht noch rechtloser als in Europa. Erlauben Sie mir, Ihnen den
Namen aufzuschreiben? Vielleicht fühlen Sie sich eines Tages
bereit für eine solche Aufgabe.«
         Viktoria
nickte geistesabwesend, denn es war einfacher, den Vorschlag
anzunehmen als Gründe für eine Ablehnung darzulegen. Sie
war völlig erschöpft und wollte nur noch in Frieden
einschlafen können.

    ******

         Am
nächsten Tag erhielten sie alle eine kräftige Gemüsebrühe
zum Frühstück und wurden mit Wärme verabschiedet.
Viktoria drehte sich noch einige Male sehnsüchtig nach den
Hütten um, denn sie stellten trotz aller Ärmlichkeit etwas
Vertrautes in diesem fremden Land dar. Sie spürte Yazis Blick
auf

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