Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)
einen Mann heiraten, den
ich wirklich liebe. Deshalb habe ich keinen.«
Sie
lachte kurz auf. Jinzis Augen funkelten neugierig.
»Ich
dachte, Sie mögen deutschen Gesandten.«
»So,
wie man eben Leute mag, die einem in Notlagen helfen können.
Mehr ist es nicht«, entgegnete Viktoria. Woher wusste Jinzi
überhaupt von ihrer Bekanntschaft mit Max von Brandt? Er musste
Klatschgeschichten gehört haben, als er mit Lao Tengfeis Dienern
sprach, doch aus unergründlichen Gründen erfreute es sie,
dass er sich diesen Klatsch gemerkt hatte.
Jinzi
schob ein Stück Holz tiefer ins Feuer.
»Ich
habe etwas für Sie«, meinte er und griff in eine Tasche,
die an seinem Gürtel hing. Ohne Viktoria anzusehen, hielt er ihr
eine Handvoll Schmuckstücke entgegen.
»Das
konnte ich retten«, meinte er nur. »Der Rest war leider
schon verkauft.«
Viktoria
erkannte den Jadeschmuck, den Dewei ihr einmal geschenkt hatte. Dann
schoben sich zwei Drachenköpfe in ihr Blickfeld. Ihr schossen
Tränen in die Augen, als sie das letzte Stück Erinnerung an
ihren Vater wieder in die Hand nehmen konnte. Sanft streichelte sie
die glatten Korallenperlen, fühlte sich kurz an einen weit
entfernten Ort versetzt, wo sie ihren letzten Geburtstag in der
Heimat gefeiert hatte.
»Wie
haben Sie herausgefunden, dass … dass …«
»Ich
redete mit den Bediensteten der Zollstelle«, erzählte
Jinzi. Sein Arm legte sich unauffällig um Viktorias Schulter.
Die Berührung schien auf einmal völlig selbstverständlich.
»Die Händler sind keine Piraten, aber sie machen manchmal
Geschäfte mit Piraten. Die Beamten der Zollstelle werden von
ihnen bestochen, damit sie beide Augen verschließen. Es klang
nicht wirklich gefährlich, aber verdächtig. Ich folgte mit
dem Karren nach Binzhou. Es ist keine große Stadt, ich hörte
bald die ersten Gerüchte.«
Während
Viktoria angespannt lauschte, breitete Jinzi eine Hälfte seiner
Decke auf ihrem Rücken aus, doch hatte sie den Verdacht, dass es
sich dabei nur um einen Vorwand handelte, um sie näher an sich
heranzuziehen.
»Die
Händler wollten Sie zunächst einfach nach Shanghai bringen
wie vereinbart. Aber dann, als sie nach einem Käufer für
das erste europäische Schmuckstück suchten, da stießen
sie auf einen Mandarin, der ihnen einen sehr hohen Preis dafür
zahlte. Wie hoch, dass hat man Ihnen sicher nicht gesagt. Er sammelt
solch exotische Dinge. Ich glaube, dann erst beschlossen sie, Sie
auszurauben, weil sie die Chance auf ein großartiges Geschäft
witterten. Ich konnte nur einem ihrer Diener auflauern, der den
chinesischen Armreif und den Jadeschmuck bei sich hatte. Dafür
hatten sie noch keinen Käufer gefunden.«
Viktorias
Kopf legte sich auf seine Schulter. Sie verspürte ein durchaus
angenehmes Kribbeln in ihrem Magen.
»Ich
bekam aus ihm heraus, wo die Dschunke vor Anker lag, und folgte. Das
Boot, mit dem die Händler an Land gingen, fand ich nicht,
deshalb musste ich schwimmen. Ich kletterte auf das Schiff und sah,
wie Sie den Jungen gerettet haben.«
Der
Druck seiner Umarmung wurde enger.
»Ich
dachte, er wäre nur so etwas wie ein Schoßhund für
Sie. Es machte mich wütend, zu sehen, wie er Sie anbetet, denn
ich ging davon aus, dass Sie sich irgendwann mit einem Tritt von ihm
verabschieden würden.«
Viktoria
drängte sich an seinen Körper, der hart und gleichzeitig
warm war. »Meinen Sie wirklich, Leute wie ich können
niemanden lieben? Nur weil Ihr Vater Ihre Mutter im Stich ließ?
Aber vielleicht war es gar nicht so.«
Jinzi
ging nicht darauf ein. Sein Gesicht war dem ihren plötzlich so
nahe, dass es zu verschwimmen begann. Sie hob die Hände und
wagte es endlich, über die hervorstehenden Wangenknochen zu
streichen. Der Herzschlag tanzte aufgeregt in ihren Ohren. Kannten
Chinesen überhaupt das Küssen? Sie hatte derartige
Intimität bei ihnen niemals in der Öffentlichkeit gesehen,
doch als Jinzi seine Lippen auf die ihren presste, wusste er genau,
was zu tun war.
»Du
bist seltsam«, flüsterte sein Mund bald darauf an ihrem
Ohr. »Manchmal benimmst du dich wie eine hochnäsige
Prinzessin, und gleich darauf bist du unglaublich nett.«
»Vielleicht«,
entgegnete Viktoria kichernd, während sie ihre Finger in seine
schwere, blauschwarze Haarflut gleiten ließ. »Vielleicht
können verwöhnte Prinzessinnen eben
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