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Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Jaderinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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was sie
selbst von Jinzi erwartete, doch konnte es vielleicht helfen, etwas
über seine Gedanken und Gefühle zu erfahren.
         Sie
wollte eben aufstehen und zu der kleinen Kammer laufen, als es an der
Eingangstür klopfte. Das Essen, so hoffte Viktoria. Doch als sie
ein lautes »Herein« gerufen hatte, trat nur ein
rundlicher Chinese ohne Schüsseln ein.
         »Taipan
möchte wissen, ob Lady wollen mit ihm essen zu Abend«,
verkündete er. Viktoria musste ein Kichern unterdrücken.
Taipan durfte sich gewöhnlich nur der Eigentümer eines
Handelshauses nennen, nicht sein Angestellter. Doch die Aussicht auf
Essen ließ ihren Magen fordernd knurren.
         »Nun,
warum nicht«, entgegnete sie diplomatisch. Sie schuldete Joseph
Andrews Dankbarkeit. »Aber meine zwei … meine …
Diener …«
         Sie
verstummte ratlos. Ihr war klar, dass Joseph Andrews sich niemals an
einen Tisch mit zwei Chinesen setzen würde.
         »Für
Chinesen Essen in der Küche«, meinte der Diener auch
schon. Viktoria zog entschlossen die Schultern zurück.
         »Ich
war Gouvernante bei einer chinesischen Familie in Peking und bin es
gewohnt, mit Chinesen zu essen«, entgegnete sie. Der ihr
gegenüberstehende Chinese schien darüber nicht unbedingt
erfreut, denn er verzog nur das Gesicht angesichts unnötiger
Schwierigkeiten.
         »Dann
bringen wir zwei Teller in die Kammer«, kam es aus dem
Hintergrund. Das blasse, rotgefleckte Gesicht von Joseph Andrews
schob sich durch den Türrahmen. Ein begeistertes Aufleuchten
seiner Augen sprach deutlichere Worte als alle Spiegel: Viktoria war
immer noch eine durchaus anziehende Frau.
         »Bringen
wir erst einmal den Tisch herein«, schlug er vor. »Sind
Ihre Diener europäisches Essen gewöhnt, Miss Virchow?«
         Voller
Bereitschaft, sich nach ihren Wünschen zu richten, stand der
junge Engländer vor ihr.
         »Der
Junge ist es gewöhnt«, erklärte sie. »Der
erwachsene Mann eher nicht.«
         »Nun
dann bringen Essen aus Küche zu zwei Leuten in Kammer«,
ahmte Joseph Andrews das verstümmelte Englisch chinesischer
Dienstboten nach. Der dickliche Chinese eilte davon, während
drei andere Bedienstete einen Tisch in die Kabine trugen.
         »Gewöhnlich
esse ich hier allein an dem Schreibtisch«, erklärte er mit
einem verlegenen Räuspern. »Es ist lange her, dass ich in
den Genuss kultivierter weiblicher Gesellschaft gekommen bin. Es wäre
eine große Ehre für mich, wenn Sie mit mir das Dinner
einnehmen würden, Miss Virchow.«
         Viktoria
sah, wie ein weiterer Stuhl hereingetragen wurde, um dem vor dem
Schreibtisch stehenden Gesellschaft zu leisten. Dann folgten einige
Töpfe und Schüsseln. Sie war leicht pikiert, dass der
Gastgeber nicht einmal ihr Einverständnis zu der Einladung
abwartete. Joseph Andrews hatte bereits einen schwarzen Frack
angezogen und lief geschäftig herum. Der dickliche Chinese
erschien wieder, um zwei Schüsseln in die Kammer zu tragen. Die
Vorstellung, dass Dewei und Jinzi nun ohne sie essen würden,
versetzte Viktoria einen leichten Stich.
         »Nun,
Miss Virchow, ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit. Mein
Koch ist in der Lage, echt englisches Roast Beef zuzubereiten, mit
Bratkartoffeln, ganz wie zuhause.«
         Joseph
Andrews musterte sie wie ein nervöser Schuljunge, der gelobt
werden wollte, was Viktoria etwas mit seinem Verhalten versöhnte.
Eigentlich war die Aussicht auf Roast Beef nicht einmal übel,
denn sie hatte in den letzten Wochen fast nur Reis und Süßkartoffeln
gegessen. Morgen würde sie eine Entschuldigung finden, um wieder
bei ihren vertrauten Begleitern sitzen zu können, aber dieses
eine Mahl mit dem Herrn des Schiffs durfte sie sich gönnen.
         Champagner
wurde in Kristallgläser gefüllt, dann zogen sich die Diener
mit einer Verbeugung zurück. Viktoria nippte erfreut am dem lang
entbehrten Getränk. Der Braten roch köstlich und sie starb
fast vor Hunger. Ungeduldig lud sie ihren Teller voll. Ob Jinzi wohl
Geschmack an Roast Beef finden würde? Sie musste ihm zeigen, wie
man mit Messer und Gabel aß, denn in Shanghai bei den
Huntingdons …
         »Nun,
Miss Virchow, Sie scheinen mir eine sehr mutige und ungewöhnliche
Frau«, riss der Gastgeber sie aus ihren Gedanken. »Kaum
ein Mädchen, das ich in England kannte, hätte sich
bereitwillig in ein derart unzivilisiertes Land begeben.«
         »China
hat eine uralte Zivilisation«, warf

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