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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Falkenberg.
»Ich weiß das, doch meine Ohren waren heute wohl einfach verschlossen.«
    »Nach dem Hof?«
    »Aber natürlich. Du hast von einem Hof gesprochen, den dieser Mann
verwüstet hat. So hast du dich ausgedrückt.«
    Bernina nickte zögernd und blickte durch das Fenster in das
Schwarz der Nacht, die sich über Schloss Wasserhain gelegt hatte. Doch sie
sagte nichts, kein Wort. Und diesmal drängte er sie nicht.
    Auf einmal begann sie zu erzählen. Ohne Hast schilderte sie den
Überfall an einem noch kühlen Frühlingsmorgen, so wie sie ihn bereits Melchert
Poppel beschrieben hatte.
    Genau wie damals der Feldarzt hörte Falkenberg ihr zu, ohne sie
einmal zu unterbrechen. Sie berichtete von den Morden, von den Flammen, die
plötzlich aus den Gebäuden stachen, von ihrer Freundin Hildegard, und für einen
eiskalten Moment war ihr, als könne sie deren letzte Schreie hören, so
durchdringend wie damals. Nicht einmal vor Helene hatte sie so offen ihre
Erinnerungen ausgebreitet.
    Als sie endete, wechselten sie und der Oberst einen langen Blick.
    Sie erhob sich, trat ganz nah ans Fenster und sah nach draußen.
    »Das war der Hof, auf dem du Magd warst, nicht wahr?«
    »Ja, der Petersthal-Hof. Hast du diesen Namen schon einmal
gehört?«
    Sein Gesicht spiegelte sich in der Fensterscheibe. Bernina hatte
den Eindruck, als würde sich sein Ausdruck irgendwie verändern. Sie drehte sich
zu ihm herum.
    Er stand ebenfalls auf und seine Augen verengten sich zu
Schlitzen. »Diesen Namen habe ich schon gehört. Aber vor langer Zeit. Als ich
noch ein Junge war. Bestimmt in dem Haus in Ippenheim.«
    »Du hast merkwürdige Geschichten über diesen Hof gehört«, mutmaßte
Bernina.
    Er nickte überrascht. »Ja, das habe ich tatsächlich.
Schauergeschichten, die eigentlich nicht für Kinderohren bestimmt waren.«
    »Was für Geschichten?«
    Er winkte ab. »Geschichten über Hexen, die Menschen mit bösen
Zaubern belegen.« Ein kurzes Grinsen. »Geschichten über Menschenopfer. Ein
Hexenmeister würde Gefangene über offenem Feuer rösten. Solche Dinge.«
    Bernina erinnerte sich an das, was Melchert Poppel über den Hof
gehört hatte: von einem Toten, der auf dem Hof lebte und über Leute herrschte,
die für ihn arbeiteten und ihn verehrten. Sie erwähnte es kurz gegenüber dem
Oberst und meinte dann: »Es ist komisch. All diese Märchen. Dabei war es ein so
ruhiger, schöner Hof. Ein Hof, der einem netten Mann gehörte und von guten
Menschen bewirtschaftet wurde.«
    Falkenberg breitete die Arme aus und trat näher zu Bernina. »So
etwas gibt es womöglich hier und da. Alberne Gerüchte, die aus einem Zufall,
einer unbedachten Bemerkung entstehen, sich einfach verbreiten und immer
abgründiger werden.«
    »Ich muss dich etwas fragen«, sagte sie, während sie sich wieder
zum Fenster herumdrehte.
    »Was immer du willst, Bernina.«
    »Da ist einiges, was mich beschäftigt, und es ist für mich nicht
leicht, darüber zu sprechen. Der Hof, der Reiter und seine Männer. Und da ist
noch etwas. Vielleicht bloß eine Kleinigkeit. Und dennoch …«
    »Was einen wirklich bewegt, geht niemals einfach über die Lippen.«
    Und genau wie mittags, als sie den Reiter erwähnte, hüpften die
Worte über ihre Lippen. Nur drei Worte: »Schwert und Blume.«
    »Wie bitte?«
    »Schwert und Blume. Sagen dir diese Zeichen etwas?« Beinahe hätte
sie schon den Brief aus der Schublade geholt, um ihn Falkenberg zurückzugeben
und endlich ihren albernen Diebstahl zu gestehen.
    Doch irgendetwas hielt sie zurück.
    Vielleicht die Art, mit der Falkenberg die Stirn runzelte und mit
den Fingerspitzen eines seiner blonden gezwirbelten Schnurrbartenden nachzog.
»Schwert und Blume«, wiederholte er. »Was meinst du damit? Wie kommst du
darauf?«
    »Diese Zeichen, sie sind wie ein Wappen … Nun ja, sie sind
mir aufgefallen.«
    »Wo?«
    »Auf dem Petersthal-Hof.«
    »Mmh.« Wieder ein Streichen über den Bart.
    »Kennst du diese Zeichen?«
    »Warum interessieren dich das Schwert und die Blume so sehr?«
    »Ach, ich weiß auch nicht«, erwiderte Bernina, hastig und auch für
sie überraschend heftig. »Vielleicht messe ich allem viel zu viel Bedeutung
bei, vielleicht sehe ich überall Gespenster.«
    »Soll ich dir etwas über Schwert und Blume sagen?« Er war nun ganz
nahe bei ihr und ergriff erneut ihre Hand. Diesmal entzog sie sie ihm nicht.
    »Also weißt du etwas darüber?«
    »Möchtest du meine Meinung dazu hören?«
    »Gewiss.«
    »Aber die sage ich dir nur

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