Das Geheimnis der Krähentochter
sich erst mal etwas in den Kopf
setzt …« Aufmunternd, aber irgendwie unbeholfen legte Heinbold seine Hand
kurz auf ihre Schulter. »Bitte, Bernina, fürchte dich nicht allzu sehr. Wenn
dieser Kerl sich irgendwo in der Nähe von Schloss Wasserhain blicken lässt,
werden wir ihn haben. Davon bin ich felsenfest überzeugt.«
Bernina nickte und senkte den Blick. »Das beruhigt mich dann doch
wieder ein bisschen.«
»Freut mich außerordentlich, das zu hören.« Noch ein Tätscheln der
Schulter.
»Meinen besten Dank, Heinbold.«
»Sehr gern, Bernina. Jederzeit, Bernina.«
Damit zog sie sich wieder zurück in ihr Zimmer. Sie schloss für
einen Moment ihre Augen, und alles, was sie sah, war dieser Reiter.
Er war auch später noch bei ihr. So sehr sie sich auch bemühte,
ihn zu verdrängen, es gelang ihr nicht. Als es Zeit wurde für das Abendessen,
ließ sie sich durch einen Diener bei Helene entschuldigen. Sie fühle sich nicht
wohl, ließ sie ausrichten. Und genau so war es auch – sie hatte das
Gefühl, keinen einzigen Bissen herunterbekommen zu können.
Später klopfte jemand bei ihr an. Als sie öffnete, erwartete sie,
Helene zu sehen, doch es war Oberst Jakob von Falkenberg, der an ihr vorbei in
den Raum trat. Eigentlich hatte sie ihn um diese Zeit auf einem seiner
Erkundungsritte vermutet. Er nahm sie in den Arm.
Also hatte es nicht allzu lange gedauert, bis er von ihrem
Gespräch mit Graf Heinbold erfahren hatte.
Bernina wand sich aus seiner Umarmung. Ohne Zögern, ganz offen
meinte sie zu ihm: »Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte es von dir erfahren,
und nicht von Graf Heinbold.«
Falkenberg musterte sie, wie er es schon so oft getan hatte. Als
versuche er etwas, das er in ihrem Gesicht sah, zu enträtseln. Da war auch
wieder sein berühmtes schmales Grinsen.
»Es ist mir ganz ernst damit«, machte sie deutlich.
Sein Grinsen verschwand, doch nach wie vor betrachtete er sie mit
dieser ihm eigenen Art. »Da hast du unseren Grafen Heinbold ja schön
hereingelegt. Aber er ist dir nicht böse. Kann er übrigens auch gar nicht sein.
Als er mir vorhin von eurer Unterhaltung berichtete, sagte ich ihm nicht, dass
du gar nichts von der Sache wusstest.«
»Du hast mir nicht geantwortet: Weshalb hast du mir nichts davon
gesagt, dass dieser Mann erneut gesehen wurde?«
»Aus Rücksicht. Ich wollte dir nur noch mehr Aufregung ersparen.«
»Das ist wirklich nicht nötig«, erwiderte sie rasch. »Ich kenne
Aufregung nur zu gut. Und ich kann sie ertragen.«
»Warum kommt es mir nur immer so vor, als wäre jedes Gespräch mit
dir wie ein Degenduell?« Schon wieder dieses Grinsen. »Obgleich ich zugeben
muss, dass mir gerade das an dir besonders gefällt.«
»Du brauchst dich nicht über mich lustig zu machen. Ich sagte dir,
wie ernst es mir ist.«
»Dennoch war es richtig, dir zunächst nichts davon erzählt zu
haben.«
»Inwiefern?«
»Wir haben ihn.«
Stille breitete sich im Zimmer aus. Falkenberg schien die Wirkung
zu genießen, die seine Erklärung auslöste. Berninas Augen wurden größer, lagen
voller Ungläubigkeit auf ihm.
»Und das sagst du mir erst jetzt?«
Er sah ihr tief in die Augen. Diesmal ohne Ironie. »Bernina, wir
haben den Mann, aber es handelt sich nicht um diesen Reiter.«
»Nein?« Ihre Stimme klang auf einmal schwach.
»Nein.« Bedauernd hob Falkenberg seine Rechte. »Der Kerl, der von
dem Soldaten gesehen wurde, ist ein Landstreicher, ein Vagabund. Er lungerte
hier herum und hat wohl auf eine Gelegenheit gewartet, im Palast seine langen
Finger herumspazieren zu lassen. Heute Abend haben ihn meine Männer an einem
Waldweg erwischt.«
»Und das ist tatsächlich der Mann, den der Soldat …«
»Ja, Bernina«, unterbrach Falkenberg sie. »Er wurde gleich zu dem
Soldaten gebracht. Dieser hat es bestätigt. Da gibt es keinen Zweifel.«
»Mir wäre es lieber …« Bernina blickte zu Boden, dann schwieg
sie.
»Ich weiß. Mir auch.« Er trat an sie heran und nahm sie erneut in
die Arme. Diesmal ließ sie es geschehen. »Du siehst, die ganze Aufregung war
wirklich umsonst.«
»Und jetzt?«
»Ich werde selbstverständlich weiterhin die Augen offenhalten. Nur
weil der Reiter uns bisher durch die Lappen gegangen ist, heißt das nicht, dass
das so bleiben muss.«
»Würdest du das tun?«
»Natürlich, Bernina. Bevor dir jemand gefährlich werden kann,
werde ich ihn mir vorknöpfen. Vertrau mir.« Er küsste sie.
»Es tut mir leid, dass ich so aufgebracht war.«
»Dir braucht
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