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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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mein Onkel, war ein Jahr älter als mein
Vater – und dieses eine Jahr immer im Vorsprung. Er machte Karriere in der
Armee, stand stets einen Rang über Thadeus. Und er gewann das Herz einer Frau,
in die auch Thadeus verliebt war. Der war rasend vor Eifersucht und Neid,
obwohl er selbst längst verheiratet war, mit einer Frau, die ihm wohl egal war,
die ihm aber bald einen Sohn gebar. Mich. Meine Mutter starb bei der Geburt,
doch das kümmerte ihn wenig. Auch für mich interessierte er sich in diesen
frühen Jahren noch nicht sonderlich. Für meine Ausbildung schickte er mich
fort, aber je weiter er mich von sich wegstieß, desto stärker verehrte ich ihn.
Ja, er war mein Held.«
    »Was geschah dann?«
    »Der Aufstieg seines Bruders ging unaufhaltsam weiter. Sein Bruder
gewann die Achtung des Kaisers, die Achtung Wallensteins.« Falkenberg lachte
bitter. »Das missfiel meinem Vater. Und er begann, eine hässliche Intrige zu
spinnen. Er ließ es so aussehen, als würde sein Bruder einen Verrat planen.
Einen Verrat, der dem gleichkam, den Thadeus später eigenhändig ausführen
sollte. Der Kaiser und Wallenstein glaubten Thadeus, und sein Bruder sah sich
plötzlich einer tödlichen Gefahr ausgesetzt. Er konnte seine Unschuld nicht
beweisen und flüchtete – er kam gerade noch mit dem Leben davon, hatte
nichts bei sich außer den Sachen, die er am Leib trug. Und für meinen Vater war
der Weg nach oben frei.«
    »Wie schrecklich«, stieß Bernina aus.
    »Mit der Flucht hatte der Bruder meines Vaters zwar sein Leben
gerettet. Aber er büßte all das ein, was dieses Leben ausgemacht hatte. Niemand
hörte je wieder von ihm.«
    »Was geschah mit der Frau deines Onkels?«
    »Mein Onkel musste sogar sie zurücklassen. Er
verschwand bei Nacht und Nebel.« Erneut dieses kurze bittere Lachen. »Und
Thadeus bot sich natürlich an, für sie zu sorgen, sich um sie zu kümmern. Er
wollte sie noch immer für sich gewinnen. Aber sie durchschaute ihn. Auch sie
verschwand eines Tages, Monate nachdem ihr Mann für immer gegangen war. Und es
war genau wie bei ihm: Niemand hat jemals wieder etwas von ihr gehört.«
    »Dein Onkel und seine Frau, also deine Tante. Haben sie sich
wiedergesehen?«
    »Das weiß ich wirklich nicht. Ich weiß nur, dass mein Vater nie
aufhörte, nach seinem Bruder zu suchen. Wahrscheinlich weil er Angst vor ihm
hatte. Angst davor, dass sein Bruder sich an ihm rächen würde. Sein Bruder
bedeutete eine ständige Gefahr. Jedenfalls kam es ihm so vor. Doch er fand ihn
nicht. Und sein Bruder unternahm nie den Versuch, Vergeltung zu üben.«
    »Lebt er noch?«
    »Wie gesagt, niemand sah ihn je wieder.«
    »Wie heißt er?«
    »Robert von Falkenberg.«
    Bernina wiederholte stumm den Namen, ließ ihn über ihre Lippen
gleiten.
    »Du siehst«, sagte Falkenberg, »die Geschichte meiner Familie ist
eine ziemlich traurige. Dabei war mein Vater immer so stolz darauf, von den
Falkenbergs abzustammen. Aber nach seinem missglückten Mordversuch an
Wallenstein wollte ich nichts mehr mit ihm zu tun haben. Als ich mit meinen
Kompanien in die Schlachten zog, trugen meine Soldaten zunächst noch die
hellblaue Flagge der Falkenbergs. Das Schwert und die Blume. Diese Zeichen
erinnerten mich immerzu an meinen Vater. So ersetzte ich sie durch den Falken.
Und damit war mein Vater für mich gestorben.«
    »In der Festung«, begann Bernina nach einigem Zögern, »da sah ich
ein Gemälde.«
    »Ein Gemälde? Hm, ich habe nie viel Zeit an diesem Ort verbracht.
Er hat mich immer irgendwie angewidert.«
    »Es war so wie die Gemälde in Ippenheim und auf Schloss
Wasserhain. Aber dein Vater war darauf zu sehen und …«
    Berninas Worte wurden von einem Knirschen
unterbrochen, das von der Hintertür kam. Sie fuhr hoch, die Waffe fest in der
Hand. Und ließ sie im nächsten Augenblick erleichtert sinken.
    Es war Balthasar, der den Schankraum betrat. Nicht nur Bernina,
auch Anselmo und Poppel hatten ihn gehört. Beide standen sie nun auf, immer
noch geschwächt der eine, müde und erschöpft der andere.
    »Mir sind keine Patrouillen mehr begegnet«, erklärte Balthasar.
»Weder kaiserliche noch fremde. Anscheinend haben die Soldaten die Suche nach
uns eingestellt. Ich habe die Gelegenheit genutzt, um mir die Stadt genauer
anzusehen.« Er blickte in die Runde. »Ich glaube, ich habe einen ganz guten Weg
gefunden, auf dem wir unentdeckt aus Offenburg verschwinden können. Das Problem
ist nur …«
    »Dass es schon ziemlich hell geworden ist«,

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