Das Geheimnis der Krähentochter
Rüschen säumten den Kragen und die Ärmel, von
denen einer sich um die Ledermanschette schmiegte, die Bernina bereits kannte.
Elegante Tapeten an den Wänden, mit feinstem Stoff überzogene
Stühle, ein ausladender Schreibtisch und ein Teppich, in den Berninas Füße fast
bis zu den Knöcheln einsanken. In ihrem alten Kleid kam sie sich klein und
schäbig vor. Doch davon sollte der Oberst nichts bemerken. Stolz sah sie ihn
an. Und wartete darauf, dass er sich äußerte.
Damit ließ er sich Zeit. Er betrachtete sie lange. Dann schickte
er die beiden Diener nach draußen, die bis gerade noch nach ihm gesehen hatten.
Bernina fragte sich, ob Falkenberg irgendwie auf die Nacht in Kraubach eingehen
würde.
»Poppel ist voll des Lobes«, eröffnete der Oberst endlich das
Gespräch.
»Er ist es, der das verdient. Aber ich nehme an, damit haben Sie
gespart.«
Falkenberg lachte auf. »Sie sind wirklich eine ganz besondere
junge Dame. Sie benutzen Worte wie ich einen Degen.«
»Herr Oberst.« Ihr Ton veränderte sich. »Ganz offen gesagt, trete
ich erneut vor Sie, um Sie um etwas zu bitten.«
»Oh, ich weiß.« Mit der rechten Hand winkte er ab. »Und ich hätte
es selbst ansprechen müssen. Gerade nachdem Sie auf dem Weg bis hierher so viel
für mich getan haben, wie mir Poppel allzu ausführlich schilderte.«
»So viel war es nicht.«
»Auf jeden Fall ist es an der Zeit, dass ich mich bei Ihnen
revanchiere.«
Die ganze Zeit über wartete Bernina auf eine ironische, spöttische
Spitze, doch Falkenberg wirkte erstaunlich ernst.
»Der Herr, den Sie noch immer suchen, der mit Ihnen in Ippenheim
war …«, fuhr er fort. »Um ihn geht es, nicht wahr?«
Sie nickte bloß.
»Offensichtlich stehen Sie ihm sehr nahe.«
»Das tue ich«, warf sie beherrscht ein. »Wie ich bereits mehrfach
sagte.«
»Und gerade weil mich wahre Liebe so beeindruckt«, sagte
Falkenberg nun doch mit einem Aufschimmern seiner Ironie, »werde ich dafür
sorgen, dass alles in die Wege geleitet wird. Sie verstehen schon, alles, um
diesen Mann aufzustöbern. Sie werden mir die exakte Beschreibung geben, einfach
alles mitteilen, was weiterhelfen könnte. Und ich entschuldige mich bei Ihnen,
dass ich das so lange aufgeschoben habe.«
»Das wollen Sie wirklich tun?« Der Zweifel in ihrer Stimme war
unüberhörbar.
Er grinste. »Sie hätten Poppel hören sollen. Er hat so einnehmend
für Sie gesprochen, dass ich gar nicht ablehnen konnte.«
»Sie sind meine einzige Chance«, antwortete Bernina, und sie
spürte, dass ihre Zweifel von Erleichterung überdeckt wurden. »Ohne Sie sehe
ich keine Möglichkeit, Anselmo zu finden. Werden Sie jemanden losschicken, der
eine solche Suche erfolgreich durchführen kann? Ich würde gerne meinen Teil
dazu beitragen. Wann kann ich aufbrechen?«
Ein Lächeln umspielte Falkenbergs Lippen. »In der Tat, bald wird
jemand unterwegs sein, um Ihre Suche zu einem erfolgreichen Abschluss zu
bringen. Ich habe gleich mehrere junge, sehr überzeugende Offiziere dafür im
Auge. Sie werden zurück zu den Schlachtfeldern reiten und den Weg Ihres Anselmo
nachverfolgen, Schritt für Schritt.«
»Wie gesagt, ich kann sie begleiten …«
»Nein, nein«, fiel er ihr ins Wort. »Die Offiziere werden mit
Poppel den Rückweg antreten. Sein schlauer Kopf wird ihnen von Nutzen sein.
Außerdem brauche ich ihn hier nicht mehr. Mir geht es gut, meine Soldaten haben
ihn jetzt wohl nötiger als ich, der ich es mir hier im Bett bequem machen soll
wie ein alter Mann.«
»Poppel?«, fragte Bernina verwirrt. »Aber er hat Anselmo nie
gesehen, und es wäre viel hilfreicher, wenn ich …«
»Keine Sorge«, unterbrach er sie von Neuem. »Wenn Anselmo noch
nicht verloren ist, wird es meinen Männern gelingen, ihn ausfindig zu machen.
Und dass Sie Ihren Teil beitragen wollen, freut mich zu hören. Aber für Sie
habe ich eine andere Aufgabe.«
»Welche?«
»Wie ich schon andeutete, mein geschätzter Knochenschneider hat
mich in aller Strenge angewiesen, das Bett zu hüten. Und zwar noch eine ganze
Weile. Graf zu Wasserhain, der Herr dieses beschaulichen Ortes hier, bot mir
an, so lange zu bleiben, wie ich es wünsche.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
Falkenberg lächelte wieder. »Sehen Sie, es gibt nichts, was ich
mehr hasse als Langeweile.« Sein Blick umfing sie mit ganzer Schärfe. »Und
während meine Männer nach Ihrem Anselmo suchen, werden Sie mir Gesellschaft
leisten.«
Berninas Augen weiteten sich. »Ich soll hierbleiben?«
»Ja,
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