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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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Wirtshaus in Chelmsford gehabt oder in ­Brentwood oder auch in Romford oder sonst wo, wo auf den Straßen was los ist. Und ich hätt’ es auch haben ­können“, setzte er missmutig hinzu, „wenn die Herrschaften nicht so ­verflucht knausrig gewesen wären.“
    Als ihr Mann diese Klage mit nörgelnder Stimme halblaut vor sich hin murmelte, blickte Phoebe von ihrer Arbeit auf. „Wir haben die Tür des Brauhauses vergessen, Luke. Willst du nicht mit mir kommen und mir helfen, den ­Balken hinaufzulegen?“
    „Die Tür vom Brauhaus kann heute Abend mal warten“, entgegnete der Mann. „Ich werd’ mich jetzt bestimmt nicht von hier wegrühren, wo ich mich gerade hingesetzt hab’.“ Während Luke Marks sprach, nahm er eine lange Tonpfeife vom Kaminsims und begann damit, sie zu stopfen.
    „Ich bin beunruhigt wegen der Brauhaustür, Luke“, wandte seine Frau ein. „Es sind immer wieder Land­streicher unterwegs, und sie gelangen leicht in das ­Brauhaus hinein, wenn der Balken nicht hinaufgelegt ist.“
    „Dann geh’ und leg’ den Balken selbst rauf, oder kannst du das etwa nicht?“, antwortete Mr Marks.
    „Er ist zu schwer, ich kann ihn nicht allein hochheben.“
    „Dann muss das eben warten, wenn du eine zu feine Dame bist, um dich selbst drum zu kümmern. – Du bist aber plötzlich sehr besorgt wegen dieser Tür. Ich glaub, du willst bloß nicht, dass ich bei diesem Gentleman hier den Mund aufmach’. Darum geht’s wohl nur. Oh, du brauchst mich gar nicht so scheel anzusehen, damit ich aufhör’ zu reden. Aber ich lass’ mir das nicht länger gefallen, hörst du! Ich lass’ mir das nicht mehr gefallen.“
    Achselzuckend faltete Phoebe Marks ihre Arbeit zusammen, schloss den Nähkasten und legte die Hände in den Schoß. Die grauen Augen auf das bullenartige Gesicht ihres Mannes geheftet, saß sie regungslos da.
    „Dann leben Sie also nicht besonders gern in Mount Stanning?“, fragte Robert höflich, als sei er bestrebt, dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.
    „Nein, das tu’ ich wirklich nicht“, erwiderte Luke. „Und es ist mir auch egal, ob das einer weiß. Aber wie ich schon gesagt hab’: Wären die Herrschaften nicht so verflucht knausrig gewesen, dann hätt’ ich ein Wirtshaus in einem blühenden Marktflecken haben können. Was sind schon fünfzig Pfund, oder was sind schon hundert Pfund?“
    „Luke!“
    „Nein, du wirst mir nicht den Mund stopfen mit deinem ständigen ‚Luke, Luke ...‘“, schrie Mr Marks auf den Protest seiner Frau hin. „Und ich sag’ es noch mal: Was sind schon hundert Pfund!“
    „Nein, tatsächlich“, antwortete Robert mit auffallender Bestimmtheit in der Stimme. Seine Worte waren an Luke Marks gerichtet, doch seine Augen ließen Phoebes ängst­liches Gesicht nicht mehr los. „Tatsächlich, was sind schon hundert Pfund für einen Mann, der die Macht besitzt, die Sie oder vielmehr Ihre Frau über besagte Person ausüben.“
    Phoebes Gesicht, das zu jeder Zeit fast farblos wirkte, schien noch blasser werden zu können.
    Ihr Mann aber nickte träge. „So ist es.“
    „Viertel vor zwölf“, stellte Robert zufrieden fest, als er auf seine Uhr sah. „Eine späte Stunde für ein so ruhiges Dorf wie Mount Stanning. Gute Nacht, werter Herr Wirt. Gute Nacht, Mrs Marks.“

18. Kapitel

    A m nächsten Morgen schlug die Uhr bereits elf, als Robert Audley noch immer am Frühstückstisch weilte. Auf Roberts Knien lag die Zeitung aus der Grafschaft. Hin und wieder machte der junge Mann einen schwachen Versuch, die erste Seite zu lesen, auf der Angebote aus dem Viehmarkt, Anzeigen von Quacksalberarzneien und sonstige, wenig interessante Dinge abgedruckt waren. Das Wetter hatte sich ­verändert, und der Schnee, der sich während der letzten Nacht ­drohend am frostigen Himmel angekündigt hatte, wirbelte in großen fedrigen Flocken gegen die Fensterscheiben und türmte sich im Garten vor dem Haus.
    Robert blickte hinaus in die winterliche Landschaft. Die einsame Straße nach Audley lag unberührt da. Kein ­Fußstapfen war im Weiß zu sehen. Während er die Schneeflocken mit den Augen verfolgte, die mit jedem Moment dichter und schneller auf die verlassene Straße herab­fielen, sah er zu seiner Überraschung einen geschlossenen ­Einspänner den Berg heraufkommen. Wenige Minuten später betrat Phoebe Marks den Raum und meldete Lady Audley.
    „Lady Audley! Bitten Sie sie herein!“, rief Robert. Und nachdem Phoebe das Zimmer wieder verlassen hatte, um die

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