Das Geheimnis der Medica: Historischer Roman (German Edition)
und härter zugesetzt, als es eigentlich vereinbart worden war. Aber wenn er erst einmal in Fahrt kam, konnte man ihn nicht so leicht aufhalten. Im allgemeinen Getümmel war es niemandem aufgefallen, nur seinem Gegner, der wohl mehr Blessuren verarzten lassen musste, als ihm lieb war.
Welcher Gegner Gero beim morgigen Lanzenstechen für den ersten Durchgang zugelost werden würde, war ihm egal. Er würde es mit jedem aufnehmen. Ihm kam es darauf an, sich und den anderen Rittern zu beweisen, dass er der Beste war.
Er packte sein Kettenhemd, das er ausgezogen und am Bachufer abgelegt hatte, und wollte zu seinem Zelt zurückkehren, als er Stimmen hörte, die ihm bekannt vorkamen.
Vorsichtig und auf Deckung achtend, schlich er auf der Waldseite den Bach entlang auf die Stimmen zu und versteckte sich hinter einem Baumstamm. Was sah er da? Die Medica zusammen mit Junker Chassim, dem Schwager des Grafen! Was hatte sie mit ihm zu schaffen? Sie kümmerte sich um eine kleine Verletzung, die Gero aber kaum der Rede wert zu sein schien. Und dann, Gero konnte es nicht glauben: Der junge Graf und die Medica küssten sich!
Er war wie vor den Kopf gestoßen, konnte seinen Blick aber nicht von den beiden abwenden. Wie konnte sich ein Fürst wie Chassim so tief herablassen, eine Hexe zu küssen! Noch dazu in einer Umgebung, wo sie jederzeit entdeckt werden konnten. Das hätte einen feinen Skandal gegeben! Gero sah weiter zu und überlegte fieberhaft. Wenn er jetzt hinzutreten würde … aber nein, da würde er sich nur den Grafen zum Feind machen, das wäre unklug. Außerdem … vielleicht hatte diese Giftmischerin Chassim irgendwie verzaubert. Ja, das musste es sein. Was für einen Plan sie damit verfolgte, konnte sich Gero aber nicht erklären. Die Medica war eine Ausgeburt der Hölle. Und wenn man zuweilen schon Gottes Pläne nicht verstand, warum sollte man ausgerechnet die des Teufels verstehen?
Als Gero schließlich sah, wie die Medica und Chassim in verschiedenen Richtungen auseinandergingen, kam ihm eine Idee. Schon die ganze Zeit, seit er wusste, dass sich ihre Wege auf unerklärliche Weise wieder auf Burg Landskron gekreuzt hatten, hatte er nachgegrübelt, wie er der Medica Schaden zufügen konnte, ohne die weitreichenden Pläne seines Onkels zu gefährden. Und ohne selbst Gefahr zu laufen, von dieser Hexe mit einem bösen Zauber belegt zu werden. Bisher war ihm nichts eingefallen. Aber jetzt … jetzt wusste er es. Wenn er Chassim weh tat, würde er damit auch die Medica treffen. Das war die Lösung! Und was für eine brillante obendrein! Niemand würde davon erfahren, auch sein Onkel nicht. Dann hätte er zumindest den ersten Teil seiner Rache. An die Medica kam er nicht heran, ohne Aufsehen zu erregen oder Missfallen bei seinem Onkel. Aber Chassim war ein Ritter auf einem Turnier, an dem auch er teilnahm. Nichts war einfacher, als Chassim zu schaden. Gero wusste auch schon, wie er das anstellen würde. Es würde wie ein Unfall aussehen …
XI
D er Burgkaplan betrat in seinem liturgischen Gewand die Sakristei der Burgkapelle und schloss sorgfältig die Tür hinter sich ab. Er hatte am Nachmittag im Freien die Feldmesse abgehalten, zu der nicht nur die zahlreichen hohen Herrschaften, sondern auch das Volk geladen waren. Die Zeremonie war lang und anstrengend gewesen, und der Burgkaplan war dementsprechend erschöpft und durchgeschwitzt, die Sonne hatte unbarmherzig vom sommerlichen Himmel gebrannt.
Nun endlich war er für sich und genoss die willkommene Ruhe nach all den Höflichkeitsbezeugungen und zeremoniellen Floskeln und Begrüßungen, wobei einem nicht der geringste Fehler unterlaufen durfte. Vor allem der gestrenge Blick des Erzbischofs hatte ihm doch vor der Messe erhebliches Lampenfieber verursacht. Schließlich wollte er sich für höhere Aufgaben empfehlen und beweisen, dass er eine vielschichtige Zeremonie durchzuführen imstande war. Aber die Messe war gut verlaufen, ja geradezu vorbildlich. Er war stolz auf sich und beschloss, sich einen Becher Wein zu gönnen, den er in einem Schränkchen verwahrte, das Geschenk eines Kaufmanns und wahrlich ein guter Tropfen, bevor er sich umzog, um an den abendlichen Turnierfestlichkeiten teilzunehmen.
Vorsichtig goss er sich von der rubinroten Flüssigkeit ein und führte den Becher zum Mund, als er eine wohlbekannte Stimme vernahm, die ihm durch Mark und Bein fuhr.
»Wollt Ihr mir nicht auch einen Schluck anbieten, Burgkaplan?«
Fast hätte er vor lauter
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