Das Geheimnis der Monduhr: Roman (German Edition)
Jocelyn auf den Lippen lag. »Ich glaube, du musst mir helfen und verhindern, dass ich Libby wiedersehe. Wenn ich sie noch einmal sehe, schwöre ich dir, dass ich die Sache nicht durchziehen kann.«
»Dann bleiben also zwei Möglichkeiten. Entweder du gibst mir die Glaskugel oder ich übernachte bei dir. Oder beides.«
Holly wurde plötzlich bewusst, dass sie den Kasten um keinen Preis aus der Hand geben wollte. Sie war selber verblüfft, wie sehr sie ihn als ihr Eigentum betrachtete. »Genau genommen waren das drei Möglichkeiten«, wandte sie ein.
Jocelyn zog als Antwort nur eine Augenbraue hoch.
»Außerdem habe ich kein Gästebett.«
»Dein Bett reicht für zwei«, sagte Jocelyn ungerührt. So leicht gab sie sich nicht geschlagen.
In ihrem Rücken hüstelte der alte Herr erneut. Und Holly errötete wieder.
»Was wollen Sie denn jetzt?«, fuhr Jocelyn ihn an.
»Ich möchte bezahlen«, war die kleinlaute Antwort. Er händigte Jocelyn das abgezählte Geld aus.
Jocelyn warf einen Blick auf die Münzen. »Wie? Kein Trinkgeld?«
Jocelyns war in einer Stimmung, in der man besser nicht mit ihr diskutierte. Sie bekam ihr Trinkgeld, und sie bekam ihre Einladung, in der Vollmondnacht bei Holly zu übernachten.
Es war Ende November, die Vollmondnacht war bitterkalt, der Himmel sternenklar. Keine einzige Wolke bot Schutz vor dem bösen Blick des Mondes, und Holly spürte, wie seine Argusaugen auf ihr ruhten, obwohl sie die Vorhänge im ganzen Haus sorgfältig zugezogen, die Jalousien heruntergelassen und in allen Zimmern die Lampen angemacht hatte, um das Mondlicht auszuschließen. Trotzdem hatte Holly das Gefühl, dass der Mond sie verfolgte, sein Licht schien durch jede Ritze ihrer Festung zu fallen, in der sie sich verschanzt hatte.
Jocelyn erschien für ihre Nachtwache mit unzähligen Tüten und Taschen, in denen sie die Grundausrüstung für einen Abend unter Frauen verstaut hatte. Sie machten es sich gemütlich, knabberten Popcorn und Schokolade und sahen sich eine DVD an. Jocelyn hatte eine Komödie mitgebracht, denn Lachen sei immer noch die beste Medizin, erklärte sie Holly.
Mitternacht war schon vorbei, als sie beschlossen, ins Bett zu gehen, und sich auf den Weg ins Schlafzimmer machten. Holly war es ein bisschen peinlich, dass Jocelyn bei ihr übernachtete und neben ihr lag. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens allein geschlafen, und seit Tom weg war, hatte sie sich schnell wieder daran gewöhnt. Jocelyn kam ihr ein bisschen wie ihre Gefängniswärterin vor, obwohl sie selber darum gebeten hatte, unter Hausarrest gestellt zu werden.
»Macht es dir was aus, wenn ich das Licht anlasse?« Holly wurde das Gefühl nicht los, dass der Mond seine Fänge nach ihr ausstreckte und durch das Fenster und die Falten der Vorhänge kroch.
»Nein, durchaus nicht. Wirst du schlafen können?«
Holly zuckte mit den Schultern. »Ich versuch’s. Aber ich kann schon spüren, wie die Monduhr mich magisch anzieht«, gestand sie. »Es kribbelt richtig in meinen Beinen, ich entschuldige mich schon mal, wenn ich dich im Schlaf treten sollte.«
»Ich sagte doch schon, ich habe ein dickes Fell. Deine dünnen Beinchen merkt man doch gar nicht.« Jocelyn beugte sich vor und stopfte die Decke um Hollys Schultern. »Der Morgen kommt schneller, als du denkst.«
»Hoffen wir’s. Ich will nur, dass das Ganze endlich vorbei ist, aber ich fürchte, dass es nie ein Ende haben wird«, seufzte Holly. Die beiden Frauen lagen nebeneinander und starrten an die Decke. »Ich weiß nicht, wie ich mit der Schuld weiterleben soll.«
»Du tust es einfach.« Jocelyn drehte sich auf die Seite und sah Holly an. »Aber vergleich dich nicht mit mir. Was ich getan habe, war etwas anderes. Ja, ich habe ein schlechtes Gewissen, und das ist richtig so. Ich hätte Harry niemals eine Pistole an die Schläfe gesetzt und abgedrückt, aber ich habe sie geladen. Ich wollte ihn zugrunde richten.«
»Aber du hast doch nur den Spieß umgedreht. Hätte Harry an deiner Stelle etwa Gewissensbisse gehabt?«
»Er war, wie er war, aber er hätte es niemals bewusst auf mein Leben abgesehen. Ich dagegen wusste, was ich tat und worauf es hinauslaufen würde. Aber bei dir sieht das anders aus. Du quälst dich unnötig, wenn du glaubst, dass du Libby umbringst. Du nimmst ihr nur die Möglichkeit zu leben. Das ist ein Unterschied.« Jocelyn ließ nicht locker.
»Es fühlt sich aber gleich an. Ich habe Libby gesehen, ich habe sie im Arm gehalten. Es macht
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