Das Geheimnis der Perle
Nachttischchen stand ein gerahmtes Foto von Matthew, als er noch klein war.
Liana sah sich all die Zimmer an in dem Haus, in demsie als Familie zusammengelebt hatten. Doch ihr Studio mied sie, als könnte sie den Anblick nicht ertragen. Cullen hatte ihr das Studio eingerichtet, ehe sie schwanger wurde. Bevor sie geheiratet hatten und ihre Ehe völlig aus dem Ruder gelaufen war.
Schließlich ging sie weiter in die Küche. Hier hatte sich bisher wenig verändert, aber das überraschte sie nicht bei einem Mann, der sich von Konservendosen ernährte.
Gegen sechs Uhr abends gesellte Cullen sich zu ihr in die Küche. Als er Lianas erwartungsvolles Gesicht sah, meinte er: „Es gibt nicht viel Neues. Winnie hat angerufen und gesagt, dass niemand den Jackeroo gesehen hätte. Aber das war zu erwarten, auf diesen einsamen Straßen. Allerdings hat sie den Vater dieses Mädchens angerufen, das Matthew mit nach Jimiramira gebracht hat.“
Liana erinnerte sich, was Winnie erzählt hatte. „Tricia?“
„Genau. Sie hat ihn gebeten, Tricia zu fragen, ob Matthew ihr irgendetwas gesagt hat, wohin er wollte.“
„Und?“
„Er hat ihr nur erzählt, dass er nach Westaustralien wollte. Also liegen wir mit Pikuwa Creek nicht falsch.“
„Würde dein Vater sich denn die Zeit nehmen, bis hierher zu fahren?“
„Ich weiß es nicht. Es ist zu lange her, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen habe. Vielleicht merkt er, dass er alt wird, und bedauert, was geschehen ist. Möglicherweise sieht er das als seine letzte Chance, wieder zur Familie zu gehören.“
Liana wandte sich wieder dem Herd zu, während ihr Herz schneller schlug. Doch nicht nur wegen der Neuigkeiten über Matthew, sondern weil sie sich erinnerte, wie oft Cullen früher in der Küchentür gestanden und zugesehen hatte, wie sie das Essen zubereitete. Die Vergangenheit und die Gegenwart verschwammen. Sie war nicht mehr vierundzwanzig. Wie konnte sie da das Gleiche fühlen wie damals?
„Was hältst du von dem Haus?“, fragte Cullen.
„Es gefällt mir. Du hast viel harte Arbeit hineingesteckt.“
„Hast du dir alles angesehen?“
Sie wandte sich vom Herd ab und schüttelte den Kopf. Er schien nicht überrascht. Trotzdem fragte sie sich, ob er ahnte, welchen Raum sie nicht hatte betreten können.
Wenig später saßen sie draußen auf der Terrasse und aßen schweigend. „Du führst jetzt ein ganz anderes Leben“, meinte Cullen schließlich. „Haushälterin. Chauffeur und Limousine. Schickes Apartment und Designerkleider.“
„Ich wollte all das nicht“, sagte Liana. „Aber es gehört nun mal zu meiner Position bei Pacific International. Als ich Australien verließ, hatte ich kein Selbstvertrauen mehr. Aber ich wollte sicherstellen, dass Matthew immer alles hat, was er braucht. Ich bin nicht zurück nach San Francisco wegen einer Limousine und Designerkleidern. All das war mir nie wichtig.“
„Du warst Künstlerin! Du hättest von deinen Arbeiten leben können. War dir der Job so wichtig, Lee?“
„Ich wollte diesen Job“, gab sie zu. „Nach all den Jahren der Unsicherheit wollte ich ein gesichertes Leben führen. Zum ersten Mal hat Thomas mir tatsächlich etwas angeboten, was ich brauchte.“
„Er hat ihn dir angeboten wie die Schlange im Garten Eden, die Eva den Apfel hinhält. Nimm ihn, und du bekommst alles, was du dir immer gewünscht hast.“
„Nein, Cullen, das hier war mein Paradies! Pikuwa Creek. Und du warst derjenige, der mir das Einzige geboten hat, was ich wirklich wollte. Doch als ich danach greifen wollte …“
„Und was wolltest du wirklich?“
„Nur Liebe.“
„Die hattest du.“
„Am Ende war ich mir überhaupt nicht mehr sicher.“
„Du hattest sie. Und du hast sie immer noch.“
Einen Moment lang war sie sich nicht sicher, ihn richtig verstanden zu haben. Die letzten Worte hatte er sehr leise ausgesprochen. „Das meinst du nicht so.“
„Doch.“
Liana konnte den Blick nicht abwenden. „Wir haben uns zehn Jahre nicht gesehen.“
„Und in diesen zehn Jahren habe ich genauso hart an mir selbst gearbeitet wie an diesem Haus und Southern Cross. Doch als ich fertig war, wusste ich, dass du immer noch hier bist. Das ist die Wahrheit, die einzige, die zählt.“
Sie brachte kein Wort heraus. Er trat zu ihr und berührte mit traurigem Lächeln ihre Wange. „Ich bitte dich nicht um eine zweite Chance. Und ich erwarte nichts, nur weil ich dir gesagt habe, dass ich dich immer noch liebe.“
Sie schloss die Augen, um
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