Das Geheimnis der Perle
Sohn.
Cullen ertrug den Anblick des Porträts nicht länger und wandte sich ab. „Können wir reden, bevor ich wieder gehe?“ „Es ist mitten in der Nacht.“
„Na und? Du kannst sowieso nicht schlafen, bis Matthew gefunden ist.“
Sie widersprach nicht, sondern setzte sich auf die Couch ihm gegenüber hin. Nachdem sie sich über den Stand der Dinge ausgetauscht hatten, fragte Liana: „Du glaubst doch auch nicht, dass er weggelaufen ist, oder?“
„Ich weiß, es ist hart für unser beider Ego, weil wir doch eine so glückliche Familie sind – aber wir sollten lieber darauf hoffen, dass es so ist. Alles andere wäre viel schlimmer.“
Sie sah ihn an, als hätte er sie geschlagen. „Aber er ist glücklich. Wir haben ein schönes Leben zusammen. Ich verbringe jede freie Minute mit ihm. Und er hat die besten Noten.“
Cullen beugte sich vor. „Sein Vater lebt am anderen Ende der Welt, und Matthew darf ihn nicht besuchen.“
„Du hast ihn jeden Sommer ganze vier Wochen lang, Cullen.“
„Zu deinen Bedingungen. In deinem Land. Und das quält unseren Sohn. Er hat es mir oft genug erzählt.“ Er zögerte, ehe er langsam ausatmete. „Aber ich glaube nicht, dass er deswegen davongelaufen ist. Falls das der Fall sein sollte.“
„Vielleicht ist er weggelaufen, weil er nicht einen ganzen Monat bei dir sein wollte. Hast du daran auch schon mal gedacht?“
Obwohl ihre Worte ihn verletzten, musste er diese Möglichkeit in Erwägung ziehen. „Hast du Grund zu der Annahme,dass es so sein könnte?“
Sie kämpfte um eine Antwort. „Nein“, sagte sie schließlich. „Er hat es immer vermieden, über dich zu sprechen, aber diesmal war es anders. Er hat mir von eurer geplanten Reise nach New England erzählt und mir sogar den Hut gezeigt, den du ihm geschenkt hast.“
Cullens Lächeln verblasste schnell wieder. „Es ist wohl nicht erwünscht, dass unser Sohn hier von mir spricht?“
„Warum denn nicht? Ich würde Matthew gegenüber nie schlecht von dir sprechen. Auch wenn wir geschieden sind, Cullen, und offensichtlich nicht die besten Freunde.“
Sie waren nie Freunde gewesen. Liebende, ja. Besessen voneinander, in wilder Leidenschaft. Sie konnten nicht ohne einander sein, aber auch nicht miteinander.
Für einen Moment schloss er die Augen und spürte, wie schwer es ihm ums Herz war. Dann öffnete er sie wieder. „Wenn wir zusammenarbeiten, könnten wir mehr Erfolg haben als jeder für sich allein. Bist du bereit dazu?“
Cullen erwartete Widerspruch, doch sie nickte. „Ich tue alles, um Matthew zurückzubekommen.“
Er hörte auch den Nachsatz. Alles, Cullen. Selbst deine Gegenwart würde ich ertragen . Er zwang sich aufzustehen. „Ich rufe mir ein Taxi. Kannst du mir ein Hotel empfehlen?“
Schweigend stand sie da und starrte ihn an, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen. „Du kannst für den Rest der Nacht im Gästezimmer bleiben.“
Er war selten um Worte verlegen, doch jetzt wollte ihm nichts einfallen.
Lianas verängstigter Blick zeigte ihm, dass selbst seine Hilfe willkommener war, als die Krise allein durchstehen zu müssen. „Wenn wir wirklich zusammenarbeiten wollen, solltest du heute Nacht hier sein, falls Matthew anruft. Oder jemand anders.“
„Danke.“
„Morgen werden wir vielleicht mehr wissen, dann kannst du immer noch weitersehen.“
„Und selbst wenn wir morgen nicht mehr wissen als jetzt, werden wir unseren Sohn finden. Ich verspreche, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht. Erinnerst du dich noch an den Morgen, als Matthew geboren wurde?“
Sie wandte den Blick ab, doch er sah, dass Tränen in ihren Augen glitzerten. Trotz allem, was zwischen ihnen stand, wollte er sie in seine Arme nehmen und halten.
Stattdessen schob er die Hände in die Hosentaschen. „Ich war bei dir im Krankenhaus, und er lag in deinen Armen. Du hast mich angesehen und gesagt: ‚Unsere Familien haben versucht, einander zu zerstören, Cullen. Aber sieh doch nur, welches Wunder wir zusammen erschaffen haben.‘“
Die Tränen liefen nicht über, aber sie klangen in ihrer Stimme mit. „Warum erinnerst du mich jetzt daran?“
„Weil Matthew ein Wunder ist. Wenn wir es zusammen schaffen, ihn wieder nach Hause zu holen, können wir vielleicht auch endlich mit allem anderen Frieden schließen.“
„Ich erinnere mich an diesen Morgen“, sagte sie. „Niemand wusste, wo du warst. Du warst nicht aufzufinden, bis die Entbindung vorbei war und ich dich nicht mehr brauchte. Du hast
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