Das Geheimnis der Perle
in irgendeinem Hinterzimmer das Geld verspielt, das ich für uns beiseitegelegt hatte.“
„Ja, ich erinnere mich daran.“
„Du wirst mir also vergeben, dass es mir schwerfällt, deinen Versprechungen zu glauben.“
Cullen wünschte, er könnte die Vergangenheit auslöschen, die so viel Unheil über sie gebracht hatte. Aber er konnte ihr nichts anderes sagen als das, was er tief im Innersten fühlte. „Ich hoffe nur, dass du eines Tages mir vergeben kannst.“
Liana konnte nicht glauben, dass Cullen nur zwei Zimmer von ihr entfernt im Bett lag. Sie hatte ihn aus ihrem Lebenverbannt, und selbst ihre Erinnerungen an ihn waren verblasst. Trotzdem lauerte er immer noch in den Schatten ihres Geistes. Und jetzt, da er in ihrem Apartment war, stiegen all die Erinnerungen in schmerzlicher Klarheit wieder in ihr hoch.
Auf ihrer Beziehung hatte von Anfang an ein Fluch gelegen. Sie waren zu jung gewesen, als sie sich kennenlernten, zu sehr beschäftigt mit alltäglichen Problemen nach Matthews Geburt, um zu realisieren, dass sie sich sehr viel größeren Schwierigkeiten würden stellen müssen. Cullen war der Urenkel von Archer Llewellyn – Liana Tom Robesons Enkelin; ihr Vater war bei ihrer Geburt schon einundsechzig Jahre alt gewesen. Von Anfang an hatten sie um die tragische Verbindung ihrer Familien gewusst und kannten die Geschichte um die Köstliche Perle. Aber in ihrem jugendlichen Überschwang hatten sie geglaubt, all das würde ihr Leben nicht berühren.
Liana, damals eine freigeistige, kreative Schmuckdesignerin, hatte Cullen in New York kennengelernt und sich unsterblich in den Mann verliebt, der Perlen züchtete. Sie folgte ihm ans andere Ende der Welt und heiratete ihn, als sie schwanger wurde.
Vier Jahre später war ihnen beiden der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Misstrauen und Enttäuschung hatten sich langsam in ihr Leben geschlichen.
Liana gab es auf, einschlafen zu wollen. Denn jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie Cullens Gesicht vor sich. Und, schlimmer noch, das von Matthew.
Wo war Matthew in diesem Augenblick? In den Händen eines Fremden? Oder lief er vor einem inneren Dämon davon, von dem er ihr nichts erzählt hatte?
Leise stand sie auf und ging in Matthews Zimmer. Der Computer lief noch, weil sie vor Cullens Ankunft die E-Mails durchgesehen hatte. Auch jetzt prüfte sie, ob er Postbekommen hatte. Zwei Nachrichten waren nur von Freunden, die mit ihm Spiele austauschten, doch die dritte ließ sie stutzen. „Wahrscheinlich zu spät“ , stand in der Betreffzeile. Unterzeichnet war die Nachricht mit SEZ. Und der Text lautete: „Probleme mit dem Server. Hoffe, du kriegst es noch, ehe du verschwindest. Viel Glück! Würde gerne mitkommen.“
Liana starrte auf den Bildschirm und überlegte, ob sie aus dieser Nachricht etwas Hilfreiches herauslesen könnte, als sie hinter sich ein Geräusch hörte. Sie schwang im Stuhl herum und sah, dass Cullen in der Tür lehnte.
„Was machst du da?“
Liana erklärte ihm, dass sie die E-Mails nach Hinweisen durchsah, die ihnen weiterhelfen könnten.
„Hast du meine Post an ihn auch gefunden?“
Überrascht sah sie ihn an. „Ihr habt euch geschrieben?“ Sie spürte ihn viel zu nahe hinter sich.
„Wir haben uns gegenseitig auch Fotos geschickt. So hat Matthew einen Eindruck bekommen von dem, was ich mache. Und ich konnte sehen, wie er sich im Laufe der Zeit verändert hat.“
Dass sie sich heimlich geschrieben hatten, ärgerte sie. „Versuchst du, mir Schuldgefühle zu machen?“
„Nein, ich versuche nur, dir zu erzählen, was unser Sohn so gemacht hat. Ich dachte, du würdest es gerne wissen.“
„Du hast einen ganzen Monat Zeit mit ihm, um dich auf dem Laufenden zu halten. Reicht das nicht?“
„Würde es dir reichen?“
„Das ist etwas ganz anderes. Ich wollte seine Mutter sein. Alles, was Matthew betrifft, ist mir wichtig.“
„Mir auch. Deshalb habe ich immer wieder versucht, ihm zu zeigen, dass mich sein Leben interessiert.“
„Du wolltest ihn doch gar nicht.“
„Ich wollte nicht Vater werden, das ist etwas ganz anderes, Lee. Ich war noch nicht so weit, ein guter Vater sein zukönnen. Aber ich liebe Matthew, vom ersten Augenblick an.“
„Du hattest eine seltsame Art, es zu zeigen.“ Im gleichen Moment bereute sie ihre Worte. Wie konnte sie ihm jetzt seine früheren Fehler vorwerfen, wenn sie ihren Sohn vielleicht nie wiedersehen würden?
„Ich klinge so verbittert“, sagte sie. „Eigentlich bin
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