Das Geheimnis der Perle
beobachtete, wie Stanford kaum merklich sein Gewicht verlagerte, und fragte sich, was diesen Mann wohl beschäftigte. Stanford fühlte sich unwohl. Auch wenn er sich Liana zuwandte, war er nicht mit ganzer Konzentration bei dem Gespräch.
„Keine Anrufe“, teilte er ihr mit. „Und von den Flughäfen konnten meine Männer mir bis jetzt auch nichts Neues berichten.“
„Nichts? Oder wollen Sie nicht darüber sprechen?“ Cullen trat näher, um sich an dem Gespräch zu beteiligen.
Stanford zögerte einen kleinen Moment zu lange. „Was wollen Sie damit sagen?“
Cullen warf einen Blick zu Liana. Sie war an diesem Tag in Schwarz gekleidet, als würde sie bereits um Matthew trauern. Sie hatte immer schlichte Kleidung bevorzugt, die ihre hohen Wangenknochen und die fein geschnittenen Züge betonten. Zu Anfang ihrer Beziehung hatte sie jedoch helle Farben getragen, geschmückt mit einem wunderschönen Stück aus ihrer eigenen Kollektion. Heute unterstrichen der strenge Knoten und das blasse Gesicht nur noch den Ärger, der in ihren Augen aufblitzte.
„Ihnen scheint nicht ganz wohl in Ihrer Haut zu sein, Stanford“, bemerkte Liana.
Cullen musste ihr Anerkennung zollen. Wie alle Künstler hatte sie ein scharfes Auge für jede Kleinigkeit.
Stanfords Schultern fielen herab und bestätigten Lianas Annahme. „Es gibt nicht viel Konkretes, das ich Ihnen sagen könnte. Wir haben heute Morgen Matthews Konto überprüft. Nichts Auffälliges. Nur eine Abbuchung in den letzten Wochen. Fünfzig Dollar, vor drei Wochen. Er hat immer noch mehr als sechshundert Dollar.“
„Er hat dir ein Geschenk gekauft“, sagte Liana an Cullen gewandt. „Einen Kompass, in einer Lederhülle. Er meinte,du könntest ihn auf eurer Campingtour gebrauchen.“
„Hast du in seinem Zimmer nachgesehen, ob er noch da ist?“
„Nein.“ Schuldbewusst sah sie ihn an. „Ich hätte es tun sollen. Falls er noch hier ist …“
„… hatte er nicht die Absicht, sich mit mir zu treffen“, beendete Cullen den Satz für sie.
„Ich habe sein Zimmer gründlich durchsucht, aber so etwas ist mir nicht aufgefallen.“ Erneut verlagerte Stanford sein Gewicht. „Aber er könnte den Kompass vielleicht gut gebrauchen, wenn er weggelaufen ist. Die von der Bank sagen uns Bescheid, falls Geld von seinem Konto abgehoben wird.“
„Hat er Zugang zu anderen Konten?“, fragte Cullen und sah Liana an.
„Nein, aber er bekommt ein großzügiges Taschengeld. Er sollte lernen, mit Geld umzugehen. Vielleicht hat er es hier zu Hause irgendwo zurückgelegt.“
Cullen hörte sie förmlich ihre Entscheidung infrage stellen, dass sie einem Kind so große finanzielle Unabhängigkeit zugestanden hatte. „Matthew ist immer sorgsam mit Geld umgegangen“, versicherte er ihr. „Jetzt weiß ich auch, warum.“
Einen Moment sah sie ihn dankbar an, ehe sie wieder die Stirn runzelte. „Ich habe ihm mal meine Kreditkarten gegeben, falls er sich etwas Größeres kaufen wollte. Aber nicht in letzter Zeit.“
„Könnten Sie nachsehen, ob noch alle da sind?“, bat Stanford. „Auch Ihre Schecks?“
Cullen sah, dass sie leugnen wollte, ihr Sohn könnte sie bestohlen haben, doch dann nickte sie angespannt. „Ich werde es sofort erledigen.“ Sie ging in ihr Zimmer.
„Sie ist eine starke Frau und hält sich tapfer“, meinte Stanford. „Aber es muss sehr schwer für sie sein.“
„Was haben Sie noch herausgefunden?“
Stanford sah Liana hinterher. „Ich bin dabei, Sie zu überprüfen.Aber das haben Sie sich wahrscheinlich schon gedacht.“
„Keine Sorge. Mein Leben ist ein offenes Buch.“
„Sie hatten ein ernsthaftes Problem mit dem Glücksspiel?“
„Habe ich immer noch.“
Stanford sah überrascht aus. „Ach ja? Meine Nachforschungen haben bis jetzt ergeben, dass Sie sich gebessert haben.“
„Wirklich? Das ist erfreulich, aber ich bin erst auf dem Wege der Besserung, noch nicht geheilt. Wenn ich diesen feinen Unterschied eines Tages nicht mehr machen kann, werde ich mein letztes Hemd verlieren.“
„Wann haben Sie das letzte Mal diesen Unterschied vergessen?“
„So richtig, meinen Sie? Ich würde sagen, als ich den Treuhandfonds meines Sohnes verspielt habe.“
Stanford pfiff leise durch die Zähne. „Das war mir noch nicht bekannt.“
„Liana hat dafür gesorgt, dass niemand davon erfährt. Sie hatte schon immer die Angewohnheit, mein Versagen zu vertuschen.“
Cullens Blick war fest, doch im Blick seines Gegenübers entdeckte er etwas
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