Das Geheimnis der Perle
Unstetes. „Irgendetwas beunruhigt Sie doch! Was haben Sie heute noch herausgefunden?“
Stanford schwieg einen Augenblick. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich sagte Ihnen ja bereits, dass wir bei der Bank nachgefragt haben. Nun, jemand anders scheint uns zuvorgekommen zu sein. Sieht so aus, als ob noch jemand Ihren Sohn finden will, Mr Llewellyn. Und vielleicht nicht unbedingt deshalb, weil er oder sie ein Held werden will.“
Liana hatte am Nachmittag endlich ein wenig geschlafen, verfolgt von Albträumen über Matthew. Als sie nach einerStunde wieder aufwachte, fühlte sie sich trotzdem ein wenig ausgeruhter. Sie zog sich an und ging ins Wohnzimmer. Stanford war nicht mehr da, nur Cullen, der Matthews Porträt anstarrte.
Sie beobachtete ihn von der Tür aus. Er war so in seine Gedanken vertieft, dass er sie nicht bemerkte.
Cullen Llewellyns Stimme war das Erste, was ihr an ihm aufgefallen war, dann sein Gesicht. Er war nicht schön im herkömmlichen Sinne, hatte aber etwas ungeheuer Reizvolles. Und wenn ein Grinsen seine herbmännlichen Züge erhellte, sah er schlicht umwerfend aus.
Dieses Grinsen hatte sie angezogen, die Wärme in seinen blauen Augen und wie er sich bewegte. Er schien auf eine Weise mit sich selbst im Reinen zu sein, die ihr neu gewesen war. Sie suchte Sicherheit und glaubte, dass Cullen sie bereits gefunden hatte.
Ihre Beziehung war auf wunderschönen Lügen aufgebaut, die sie beide für die Wahrheit gehalten hatten.
Er drehte sich um. „Das Bild fängt ihn perfekt ein, nicht wahr?“
„Ich glaube, ja.“
„Ich weiß nicht viel über Kinder. Aber Matthew schien mir immer ein unkompliziertes Kind zu sein, soweit das heutzutage möglich ist. Er ist an allem interessiert, was um ihn herum vor sich geht. Und er versucht nicht, seine Gefühle zu verstecken.“
„Manchmal mache ich mir Sorgen, dass er zu langsam erwachsen wird. Dann schaue ich mir seine Klassenkameraden an. Wir streiten über seine Frisur oder seine abgerissenen Jeans. Letztes Jahr ist sein bester Freund in einer Entziehungsanstalt gelandet. Das hat das Ganze wieder in die richtige Perspektive gerückt.“
„Er ist ein sehr vernünftiger Junge, nicht wahr? Er ist einfühlsam und hat einen gesunden Menschenverstand. Und erweiß, wie er auf sich aufpassen muss.“
„Und wenn er irgendwo ist, wo er es nicht kann …“ „Ich habe mir ein Zimmer in einem Hotel reservieren lassen, unweit der Wohnung von Mei. Nach unserem Besuch bei deiner Tante heute werde ich dort einchecken.“
Liana überlegte, wie sie sich an Cullens Stelle fühlen würde. Sie stellte sich vor, Matthew wäre in Australien verschwunden und sie wäre dorthin geflogen, um ihn zu suchen. Läge sie dann einsam in einem fremden Hotelzimmer, während andere über das Schicksal ihres Sohnes entschieden? Sie wusste, dass Cullen in diesem Fall alles tun würde, um sie mit einzubeziehen. Er war nie engstirnig oder gemein gewesen. Trotz all seiner Fehler hatte er es nie bewusst darauf angelegt, ihr wehzutun.
„Ich hätte gern, dass du hierbleibst.“ Sie sah, wie er die Stirn in Falten legte. „Sollte ich einen Anruf bekommen oder sofort eine Entscheidung treffen müssen, will ich nicht so lange warten, bis du hier bist. Außerdem hast du ein Recht darauf, bei allem dabei zu sein.“
„Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht?“
„Wer hätte das gedacht, Cullen? Wie es aussieht, haben wir nach all den Jahren keine andere Wahl, als zusammenzuarbeiten.“
„Obwohl ich darin nie gut war?“
„Nein, das warst du nicht.“
Weder behauptete er, sich geändert zu haben, noch entschuldigte er sich. „Sollten wir nicht bald aufbrechen?“
„Sobald Stanfords Mann da ist. Er bleibt am Telefon, solange wir bei Mei sind.“
Auf dem Weg zu Mei sprachen sie kaum ein Wort. Wie oft hatte sie während ihrer Ehe neben ihm gesessen, sich in seinem warmen Lächeln gebadet. Damals war sie anders gewesen. Furchtlos, vergnügt und vor allem bezaubert von dem jungen Mann mit dem australischen Akzent. Sie hatten geglaubt,gemeinsam alles schaffen zu können, ohne von der Vergangenheit berührt zu werden.
„Die Köstliche Perle hat nie Glück gebracht.“ Sie warf einen Blick zu Cullen, der mit ernstem Gesicht neben ihr saß. „Falls Matthew sie hat …“
„Wenn du glaubst, dass sie Unglück bringt, warum bewahrst du sie dann in deinem Büro auf? So nah bei dir?“
„Mein Großvater ist für diese Perle gestorben.“
Doch Lianas Gefühle für dieses Erbe
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