Das Geheimnis der Perle
der Decke gemütlich. Viola nahm ihre Gabel zur Hand und begann zu essen.
Nachdem Viola sich nachmittags hingelegt hatte, begann Mei mit der mühseligen Aufgabe, im Haus aufzuräumen. Eine Stunde später erschien Bryce mit zwei Aborigines, Emma und Sally.
„Emma wird sich um die Wäsche kümmern“, sagte Bryce zu Mei. „Und Sally behauptet, eine sehr gute Köchin zu sein. Sie hat schon mal hier ausgeholfen, deshalb will ich ihr eine Chance geben, falls du einverstanden bist.“
Mei wurde bewusst, dass sie nun die Verantwortung für den Haushalt trug. Denn Viola konnte man diese Aufgabe unmöglich überlassen.
Zusammen zogen sie die Betten ab, danach folgte Sally Mei in die Küche. Mit Gesten und ein paar Brocken Englisch hatten sie sich schnell verständigt, um ein einfaches Essen zu planen.
Als Mei aus der Küche kam, lehnte Bryce draußen an einem Gummibaum, riss ein Stückchen Rinde ab und wickelte sie um seinen Finger. „Wenn mein Vater heute Abend nach Hause kommt, bringt er Larry mit. Er kocht im Camp. Falls Sally es schafft, können die beiden heute Abend zusammen für die Männer kochen.“
Mei war beeindruckt von Bryces Anblick. Er war so männlich, sein Körper so geschmeidig und athletisch. Er besaß alle Vorzüge der Jugend, ohne sich damit zu brüsten, wie andere Männer es tun würden.
„Sie arbeitet hart“, erwiderte sie. „Und Emma auch.“
„Sie sollten besser nur im Haus sein, wenn es nötig ist. Mum mag Schwarze nicht. Sie ist mal mit dem Messer auf einen der Viehtreiber losgegangen.“
Er zuckte bei seinen Worten zusammen, als wäre ihm bewusst geworden, wie beängstigend sie klingen mussten. „Normalerweise verstecken wir die Messer vor ihr, aber damals hatten wir eines übersehen. Wahrscheinlich hat sie es draußen irgendwo im Garten gefunden. Manchmal wandertsie nachts dort herum. Ich versuche immer, sie im Auge zu behalten, aber ich habe auch noch einiges andere zu tun.“ Er hielt inne. „Und sie ist gerissen. Sie tut, als ob sie schlafen würde …“
Mei nickte. „War sie schon immer so?“
Ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Ich weiß nicht.“
Mei durfte nicht zu viele Fragen stellen. Auf der anderen Seite aber war es wichtig, so viel wie möglich über die Llewellyns zu erfahren, um die Perle finden zu können. Also erfand sie eine Geschichte, um weiterzukommen. „In Darwin gibt es einen Mann, einen Chinesen. Er ist sehr clever. Jeder geht zu ihm, wenn er einen Rat braucht. Dieser Mann beobachtete eines Tages, wie seine Frau auf der Straße unter ein paar Pferde geriet und getötet wurde. Seitdem ist er so wie deine Mutter: Er spricht mit seiner verstorbenen Frau, als wäre sie noch da.“
Bryce schien fasziniert. „Erzähl weiter …“
„Nun, er ist so geworden, weil er etwas Schreckliches hat mit ansehen müssen. Ich habe nur überlegt, ob deiner Mutter etwas Ähnliches passiert ist.“
Er schwieg einen Moment, als würde er nachdenken. Schließlich sagte er: „In Broome hat sie ein ganz anderes Leben geführt.“
„Warst du schon mal dort?“
„Nein. Ich bin noch nie von hier weggekommen.“
Wie klein seine Welt doch war! Wie könnte er ihr dann sagen, warum seine Mutter verrückt geworden war? Mit wem sollte er Viola vergleichen? Vielleicht war ihm nicht einmal richtig bewusst, wie seltsam sie sich verhielt.
„Das Leben hier ist hart für eine Frau“, erklärte sie ihm, um ihn auf die richtige Fährte zu führen.
„Auf Jimiramira? Ja, vermutlich.“
„Und was hat sie schon, um es sich ein bisschen angenehmer zu gestalten.“ Sie zögerte, doch als er nicht antwortete,fuhr sie fort: „Keine schönen Sachen. Vielleicht verschließt sie die Augen vor dem, was sie nicht sehen will?“
Ein Strahlen erhellte seine Züge. „Wie schön, dass du dir bereits so viele Gedanken um sie machst. Keiner tut das außer mir. Schon seit Langem nicht mehr.“
Ob er wusste, wie viel das über seinen Vater aussagte? „Ich muss jetzt zu ihr und nachsehen, ob sie noch schläft.“
„Wenn es heute Abend kühler ist, nehme ich dich auf einen Spaziergang über die Farm mit und zeige dir alles, was du noch nicht gesehen hast.“
Den restlichen Nachmittag machte Mei ein Zimmer nach dem anderen sauber, da Viola immer noch schlief. Schließlich öffnete sie die Tür zu Bryces Schlafzimmer. Anders als der Rest des Hauses war es sehr sauber und aufgeräumt. Auch wenn es hier nichts für sie zu tun gab, blieb sie stehen und atmete tief ein. Bryces Duft, eine
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