Das Geheimnis der Perle
Erneut schlugen sie aufeinander ein, bis Mei Bryces Arm erwischte. „Genug! Hör auf, Bryce!“
Endlich schien er sie zu hören, ließ von seinem Vater ab und erhob sich.
Archer setzte sich hin und spuckte verächtlich auf den Boden. „Zuerst deine Mutter, jetzt du auch noch! Ich habe dir gesagt, du sollst dich von diesem Mädchen fernhalten.“
„Warum sollte ich auf dich hören?“ Bryce trat an Meis Seite, immer noch schwer atmend. „Ich werde Mei heiraten! Du kannst mich nicht davon abhalten. Und ich will nichts von dir. Ich werde es auch ohne dich schaffen.“
Entgeistert starrte Archer ihn an. „Ich habe das … ich habe all das nur für dich getan.“
Bitter lachte Bryce auf. „Was hast du denn gemacht, Dad? Dieses verfluchte Haus gebaut? Rinder gezüchtet? Glaubst du wirklich, dass mir all das etwas bedeutet?“
Mei löste sich von Bryce und trat vor. Sie war nach Jimiramira gekommen, um die Perle zu suchen und Rache an den Llewellyns zu nehmen. Jetzt wurde ihr bewusst, wie wenig ihr das Letztere bedeutete. Es gab nichts, was sie Archer und Viola nehmen könnte – weil sie nichts besaßen, was von Wichtigkeit war. Keine Liebe, keinen Charakter, keine Ehre. Die Perle konnte sie nicht mitnehmen, weil sie verschwunden war. Und sie konnte es nicht ertragen, ihnen den Sohn zu nehmen. Nicht auf diese Weise. Denn Brycewar kein Mittel zum Zweck. Er war so viel mehr.
Sie liebte ihn.
Die Erkenntnis erschreckte sie, gab ihr aber auch Kraft. Entschieden straffte sie sich. „Schluss jetzt! Ihr müsst beide zu Bett gehen.“ Sie wagte es nicht, Bryce anzusehen, aus Angst, in Tränen auszubrechen.
„Das ist mein Haus!“ Archer stand auf. „Von dir lasse ich mir gar nichts sagen!“
Sie drehte sich um, und als Bryce nach ihrer Hand griff, schüttelte sie ihn ab. „Dann gehe ich eben ins Bett.“ Sie ging davon, ohne dass einer der beiden ihr folgte. Als sie in ihrem Zimmer war, verschloss sie die Tür. Dann brach sie in Tränen aus.
Sie weinte immer noch, als sie ein paar Minuten später ein leises Klopfen hörte. „May? Bitte, mach auf.“
Sie schüttelte den Kopf, als könnte Bryce sie sehen. „May … bitte!“
„Geh weg!“
„Sag mir, dass du mit mir kommst. May …“
Sie presste die Fäuste gegen den Mund, um der Versuchung zu widerstehen.
Und irgendwann ging er davon.
Reglos lag Mei auf dem Bett. Sie war nicht für alles verantwortlich, was an diesem Abend passiert war. Aber es gab etwas, für das sie die Schuld übernehmen musste. Sie hatte ihnen zwar nicht die Perle genommen, aber dafür hatte sie Archer und Viola etwas gestohlen, was wirklich wertvoll war. Ihren Sohn.
Bryce liebte sie, aus welchem Grund auch immer. Auch wenn ihr Herz jubelte, dass dieser junge, starke Mann sie wollte, der so aufrichtig und voller Leben war, wusste sie gleichzeitig, dass ihnen beiden kein Glück beschieden sein würde.
Wie lange würde es dauern, bis irgendjemand in Broomeentdeckte, dass Mei-Zhen Robeson nach Jimiramira aufgebrochen war? Danach war es nur eine Frage der Zeit, bis Bryce von dem Mord an Tom Robeson erfuhr. Und dann würde ihm klar werden, dass sie nicht zufällig gekommen war.
Und er würde wissen, dass sie hier war, um die Perle zu stehlen.
Würde er ihr glauben, dass sie die Perle nicht gefunden hatte? Sie stellte sich vor, wie verraten Bryce sich fühlen würde. Heiße Tränen brannten auf ihren Wangen, als sie endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.
Sie träumte von Feuer, dessen Flammen immer höher schlugen. Tiefer Frieden erfüllte sie. Sie atmete ein und wollte einen zufriedenen Seufzer ausstoßen. Stattdessen füllten sich ihre Lungen mit Rauch. In Panik riss sie die Augen auf.
„May!“
Sie war im Begriff, das Bewusstsein zu verlieren. Das Leuchten verblasste, und stattdessen umgab sie nun schwarze Nacht. Sie zwang sich, sich auf das Feuer zu konzentrieren, um wach zu bleiben.
„May!“
Endlich öffnete sie die Augen und merkte, dass ihr kleines Zimmer voller Rauch war. Im nächsten Augenblick hatte Bryce die Tür aufgestoßen, fasste Mei bei den Schultern.
„May! Aufstehen. Das Haus …“ Er hustete, als hätte er glühende Kohlen geschluckt.
In Panik schoss sie hoch, und Bryce zog sie an der Hand zur Tür.
„Raus hier“, brachte er mühsam heraus. „Meine Mum … kann sie nicht finden …“ Er stieß sie ins Freie, und ehe sie noch protestieren konnte, war er wieder im Haus verschwunden, auf der Suche nach seiner Mutter.
Mei wollte ihm folgen, wollte
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