Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Puppe

Das Geheimnis der Puppe

Titel: Das Geheimnis der Puppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
Vom Netzwerk:
trinken. Es folgte diesem Impuls nicht. Etwas Diffuses in seinem Innern mahnte zur Vorsicht. Am Morgen war die Frau schon einmal gekommen und hatte Nahrung gebracht. Zwei belegte Brotscheiben auf einem Holzbrett und einen Becher mit Saft. Aber am Morgen war es nicht sehr hungrig gewesen, hatte nur einmal von dem Brot abgebissen, hatte anschließend etwas von dem Saft getrunken. Aber der Saft schmeckte nicht. Er war bitter.
    Als die Frau den Eingang schloß, kroch das Kind verwirrt in den Winkel zurück. Es rollte sich auf der weichen Unterlage zusammen, nahm die Puppe in den Arm und den Daumen in den Mund und wartete auf die zweite Frau. Aber sie kam nicht. Da waren Schritte vor dem Eingang, doch die eiligen waren nicht dabei. Da waren auch Stimmen, die dunkle und einmal noch die weiche Stimme der Frau. Das Kind lauschte eine Weile, dann schlief es ein. Es erwachte von einem Geräusch. Geräusche hatte es immer gegeben. Und wenn es auch nicht genau wußte, welche Bedeutung den einzelnen Lauten und Tönen zukam, so konnte es doch viele unterscheiden. Sie waren vertraut, wiederholten sich in einem fast gleichmäßigen Rhythmus, gehörten zur Ordnung. So wie das leise Klacken am Eingang. Dort war eine Klinke, und wenn sie heruntergedrückt wurde, entstand das Klacken. Dann fiel ein gelbes Viereck in seinen Raum, und der Schatten einer der Frauen zeichnete sich auf dem Boden ab. Und wenn die Frauen kamen, gab es Nahrung oder Draußen oder Wärme. Das leise Klacken war ein gutes Geräusch, und als es jetzt davon aus seinem Schlaf geweckt wurde, richtete es sich auf und schaute erwartungsvoll zum Eingang. Dort stand noch unangetastet die Milchflasche, daneben lagen die Kekse. Zu sehen war davon nichts, aber beides mußte noch da sein. Es war durstig und kroch langsam auf die Flasche zu. Aber es hatte sie noch längst nicht erreicht, als der Eingang geöffnet wurde. In der hereinbrechenden Helligkeit konnte es für einen kurzen Augenblick die Flasche deutlich erkennen. Dann verdunkelte der Eingang sich, eine Gestalt schob sich vor das Licht. Aber es war keine der beiden Frauen. Der Schatten war mächtig und drohend. Vor Schrecken stieß es einen feinen, schrillen Ton aus. Dann verhielt es mitten in der Bewegung, blieb ganz still und reglos am Boden hocken. Es hörte einen Laut, der wie ein dumpfes, erschrecktes Stöhnen klang.
    Der Eingang wurde hastig wieder geschlossen.
    Das Kind war verwirrt, kauerte sich hin und wartete. Den Kopf hielt es zur Seite geneigt, lauschte, jetzt waren die festen Schritte da draußen. Und die festen Schritte waren Er. Und Er durfte nichts wissen, nichts sehen und nichts hören. Die Schritte entfernten sich. Als sie ganz verklungen waren, wartete das Kind noch minutenlang. Dann kroch es in der Dunkelheit weiter auf die Flasche zu. Vorsichtig streckte es die Hand danach aus. Seine Finger berührten etwas Kühles. Doch das war nicht die Flasche. Als es die zweite Hand zu Hilfe nahm, erkannte es den Saftbecher.
    Und es erinnerte sich an den bitteren Geschmack. Es trank nur einen winzigen Schluck, um den ärgsten Durst zu löschen. Dann legte es wieder den Kopf zur Seite
    und lauschte. Alles war still. Nach einer Weile kroch es zurück in die Ecke, setzte sich, zog die Beine an den Leib und nahm seine Puppe in den Arm. In dieser Stellung horchte es weiter. Es war verstört von der Unordnung. Um sich zu beruhigen, wiegte es sich langsam vor und zurück. Ließ freundliche, helle Bilder vor den Augen entstehen. Draußen, die leuchtenden Farben, die sanften Töne. Selbst in den letzten Tagen war es noch gerne draußen gewesen. Obwohl draußen in den letzten Tagen gleichbedeutend mit  »kalt«  gewesen war.

    »Komm, Püppchen.«
    Die Worte waren nur in seinem Kopf, aber es hörte sie ganz deutlich.
    »Lau.« , sagte die zweite Frau meist noch und schielte den Weg zurück, den sie mit ihm gekommen war, als ob sie sich fürchte, bei einer Schandtat ertappt zu werden. Und sie selbst ging zurück, während es in ungelenken Sätzen über die Wiese sprang. Ganz deutlich sah es in der Dunkelheit das Gras vor sich. Es war ein tröstliches Bild. Aber schließlich reichte dieser Trost nicht mehr. Mit wachsendem Unbehagen lauschte es in die Stille. Da drangen plötzlich wieder die festen Schritte an sein Ohr. Das Kind drückte sich tiefer in den Winkel. Der Eingang wurde geöffnet, wieder fiel der mächtige Schatten zu ihm herein. Da war ein Schaben und Kratzen. Eine große Hand griff um den Eingang herum,

Weitere Kostenlose Bücher