Das Geheimnis der Puppe
bereits hinlänglich informiert. Ein Schriftsteller und eine Werbegrafikerin, gerade das schien ihr Mißtrauen geweckt zu haben. Vermutlich rangierten wir gleich hinter dem fahrenden Volk. Nachdem ich mein Telefongespräch beendet hatte, hielt sie mich noch eine Weile mit ihren Fragen fest. Vor allem Laura interessierte sie. Dann fiel plötzlich die Bemerkung:»Da sagte die Brigitte, im ersten Moment bin ich zu Tode erschrocken, die junge Frau schaut genau aus wie das Annchen.«
Und gleich darauf fiel mir ein, was Laura bezüglich des Anstarrens und der Neugier beim Besuch der jüngeren Frau Greewald gesagt hatte. Und dann fiel bei mir auch endlich der berühmte Groschen. Sie mußten Marianne kennen, die junge Marianne jedenfalls. Und die Ähnlichkeit zwischen Laura und ihrer Mutter war selbst heute noch verblüffend.
»Meine Schwiegermutter hat früher für die Steiners gearbeitet«, erklärte ich.
»Sie war Hausmädchen dort bis Ende.«
»Meine Schwiegertochter auch«, sagte sie.
»Die hat gekocht und später auch den Haushalt gemacht. Aber geschlafen hat sie nie da. Die kam abends hierher. Die hat schon unter meinem Dach geschlafen, da waren sie und mein Sohn noch nicht verheiratet. War mir nicht recht, gab viel Tratsch. Aber lieber so als andersrum.«
Im oberen Stockwerk des Hauses begann ein Säugling zu weinen.
»Jetzt muß ich«, sagte die Alte und bedeutete mir damit, daß ich gehen sollte. Aber das Weinen aus dem ersten Stock war nur Wasser auf meine Mühle.
»Haben Sie noch so kleine Kinder im Haus.« fragte ich. Sie nickte mit merklichem Stolz.
»Ist der Urenkel, der erste. Wenn alle im Feld sind, muß ich ihn versorgen. Aber ich bin noch gut auf den Beinen.«
Ja, das war sie, gut auf den Beinen und geschäftstüchtig. Mein Fünfmarkstück nahm sie mit dem Hinweis, sie könne leider nicht rausgeben. Und bevor ich dann endgültig zur Haustür geschoben wurde, erkundigte sie sich:»Kriegen Sie Eier? Wir liefern ins Haus. Die Brigitte macht morgen ihre Tour.«
Ich nahm an, daß Laura sich für frische Eier begeistern würde, und bestellte zwanzig Stück, dann ging ich zur Tür. Der Säugling im oberen Stockwerk brüllte inzwischen aus Leibeskräften. Und während sie die Haustür hinter mir schloß, brüllte die Alte ihm entgegen:»Ja! Ja! Ich komm ja schon.«
Mittwochs kam dann Brigitte, Schwiegertochter und ehemalige Köchin im Haus der Steiners, mit den Eiern. Ich saß an meinem Schreibtisch und betrachtete ein leeres Blatt Papier und zwischendurch die Baumwipfel. Ich hörte einen Wagen in der Einfahrt. Brigitte Greewald machte ihre Tour in einem Kombiwagen, der randvoll mit frischen Hühnereiern beladen war. Ich hörte sogar ihre Schritte, als sie um das Haus herum zur Kellertür ging, hörte sie nach Laura rufen. Und dann sah ich das Kind wieder. Es mußte um die Hausecke gekommen sein, die ich von meinem Platz aus nicht sehen konnte. Jetzt sprang es in seinen abgehackt wirkenden Sätzen vor der Terrasse herum. Es trug wieder das grünweiß karierte Kleid, auch die dicken Wollstrümpfe und die Halbschuhe. Ich schob meinen Stuhl zurück, erhob mich und trat seitlich vom Schreibtisch näher ans Fenster heran. So konnte ich es beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Zwei, drei Minuten lang hüpfte es da draußen herum, blieb immer wieder einmal mitten aus einer Bewegung heraus stehen. Das wirkte so abrupt und unnatürlich, daß ich jedesmal befürchtete, es würde hinfallen. Dann hörte ich wieder die Stimme von Brigitte Greewald.
»Wenn noch mal was ist, kommen Sie doch abends vorbei.«
Und Laura antwortete:»Wir bekommen den Anschluß Mitte der nächsten Woche. Das hat man uns fest zugesagt. Aber trotzdem, vielen Dank.«
Ich wartete darauf, daß Frau Greewald nach dem Kind rief. Für mich stand fest, daß es zu ihr gehörte. Von wegen, der erste Urenkel, dachte ich noch, da röhrte der Motor des Kombiwagens auf. Und das Kind hüpfte immer noch vor der Terrasse herum. Seit Tagen war ich nicht eben allerbester Laune. Und das jetzt, das war der bewußte Tropfen, der ein Faß zum Überlaufen bringen kann. Ich stürzte förmlich die Treppe zum Erdgeschoß hinunter. Dort hielt sich niemand auf. Laura war im Keller, und Danny spielte vermutlich beim Teich. Schon als ich im Wohnzimmer ankam, war draußen niemand mehr zu sehen. Trotzdem ging ich noch über die Terrasse hinaus, schaute mich gründlich um. Aber das Kind war nicht mehr da. Verständlich, es mußte ebenso wie ich gehört haben,
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