Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Liebknecht. Ich bin churfürstlicher Commissarius und derzeit als Sonderbeauftragter meines Herrn auf dem Weg nach Rom.«
»Und was verschafft mir die Ehre Eures Besuchs, Herr Commissarius?«
»Ich soll Euch Grüße von einem gemeinsamen Freund überbringen, Herr Kepler.«
»Commissarius, von wem sprecht Ihr?«
»Fludd«, antwortete Matthias kurz und knapp, »Ein englischer Arzt.« Kepler ließ sich nichts anmerken.
»Woher kennt Ihr den Doctorius?«
»Aus Paris. Wir trafen uns vor ungefähr einem Jahr vor der Kathedrale von Notre Dame. Ich war im Auftrag meines Herrn unterwegs und Fludd weilte an der Sorbonne, um sich dort gegen die Vorwürfe eines französischen Kollegen zu rechtfertigen. Dabei führten wir sehr ausführliche Gespräche.«
»Gespräche? Welcher Art?«
»So viele Fragen, Herr Kepler. Ich bin doch kein katholischer Spion, der hinter Euch her ist. Kurz: Wir haben uns unter anderem über Hermetik unterhalten.«
»Hermetik, ja, das ist hochinteressant und mir durchaus bekannt. Dann lasset Euch noch auf eine letzte Prüfung ein: Wie lautet die dritte Regel?«
»Es handelt sich um das Gesetz der Schwingung, Herr Kepler. Nichts ruht. Alles bewegt sich. Es schwingt.«
»Na schön, dann wollen wir es dabei belassen, dass Ihr ein Freund von John Fludd seid.«
»Robert Fludd«, lächelte Matthias ob dieser Fangfrage. Kepler entschuldigte sich schmunzelnd.
»Verzeiht diesen Versuch, Euch zu prüfen. Nehmt Platz und erzählt mir bitte, was Ihr mir von unserem Freund berichten sollt.«
»Vor einigen Wochen habe ich von Fludd einen Brief erhalten, in dem er es bedauert, Euch nicht selbst zu Hilfe eilen zu können. Wohl gäbe es Umstände, die seine Anwesenheit in London zwingend erforderlich machen. In seinem Brief sprach er davon, dass Ihr Euch in großer Gefahr befändet, und Ihr solltet das Angebot einer bedeutenden Persönlichkeit unverzüglich annehmen und möget daher als Astrologe und Astronom in deren Dienst treten. Doch was erzähle ich! Ich habe den Brief dabei. Lest ihn selbst.«
Matthias überreichte Kepler den Brief, den dieser aufmerksam las. Dabei benutzte er eine Brille, die er sich etwas umständlich auf die Nase setzte.
»Meine Augen sind nicht mehr die jüngsten«, murmelte er dabei. Nachdem er den Brief gelesen hatte, lehnte er sich zurück und blickte eine Weile schweigend an Liebknecht vorbei ins Leere, hub dann in leisem Tone an.
»Ich nehme an, Ihr wollt erfahren, um welch Persona es sich handelt, die mir dieses Angebot machte.«
»Ihr seid in keiner Weise verpflichtet, mir irgendetwas zu erklären. Ich bin lediglich gekommen, um Euch Fludds besorgte Nachricht zu übermitteln«, erklärte Matthias bescheiden.
»Dafür danke ich Euch vielmals. Es ist mir viel Wert. Wir gehören zu einem Kreis von Wissenschaftlern, die gefährdet sind. Weil wir Thesen vertreten, die dem Heiligen Stuhl in Rom in keiner Weise genehm sind. Ich bin ein strenggläubiger Mensch, Commissarius Liebknecht. Das solltet Ihr wissen! Dennoch muss ich sagen, dass mein Weltbild auf einer gewissen hermetischen Tradition beruht, den Mächtigen in Rom ist dies nur okkultes Sektiererwerk. Ich verhehle nicht, mit jenen zu sympathisieren, denen man nachsagt, Rosencreutzer zu sein. Dabei ist die Welt eigentlich nur ein Spiegel; ein Spiegel, in dem die göttlichen Ideen, der göttliche Plan sichtbar wird. Und dass nach den hermetischen Gesetzen unser Geist, der von Gott geschaffene menschliche Geist, in der Lage ist, diese göttlichen Ideen zu erkennen. Die Sterne, die Planeten sind keine körperlosen Wesen, sondern sie sind ein dynamisches System und gehören zum göttlichen Bauplan dazu. Würden sie fehlen, wäre die Harmonie der Welt gestört. Ja, darum glaube ich, werde ich das Angebot des Generals Wallenstein wohl annehmen müssen. Man hat mir in der Vergangenheit schon zu sehr zugesetzt und ich möchte meine letzten Jahre gerne in Ruhe verbringen. Aber zuvor habe ich noch gewisse Dinge zu regeln, die meine ganze Kraft in Anspruch nehmen werden.«
»Wie darf ich das verstehen, Herr Kepler, man hat Euch zugesetzt?«
Müde Augen blickten Matthias jetzt durchdringend an.
»Als junger Mann hatte ich die Ehre, Assistent des großen Tycho Brahe zu werden und wurde an den Hof zu Prag gerufen. Damals war Rudolf II. der Kaiser, Ihr seht, es ist schon sehr, sehr lange her. Kaiser Rudolf war überaus fettleibig, hatte stets ein aufgedunsenes rotes Gesicht und immer dunkle Augenringe. Ich glaube, es stimmt, was man
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