Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Während eines Straßenfestes zum Jahrestag der Papstwahl Pauls V. am 28. Mai 1606 war er gemeinsam mit Onorio Longhi in einen Straßenhändel geraten. Nach Zeugenaussagen tötete er mit dem Schwert den Sohn des Kommandanten der als Staatsgefängnis dienenden Engelsburg, Ranuccio Tomassoni. Er floh damals und entzog sich so seiner Verhaftung. Er ging in das spanische Neapel. Dort avancierte er zu einem anerkannten, äußerst produktiven Künstler. 1607 ging er nach Malta und schaffte es sogar, Ritter des Malteserordens zu werden. Seine Aufnahme in den Orden bedurfte allerdings einer Ausnahmegenehmigung des Papstes. Es ist mir zwar unbegreiflich, aber Papst Paul V. erteilte diese. Die Borghese-Familie war schon immer etwas seltsam.
Caravaggio schuf dort das Monumentalbild Die Enthauptung des Johannes des Täufers, doch während der Enthüllung des Werkes saß Caravaggio im Gefängnis, weil er an einem Tumult beteiligt gewesen war und dabei einen Ordensritter schwer verletzte. Wiederum floh er aus dem Gefängnis, diesmal nach Sizilien. Von dort aus ging er zurück nach Neapel, wo er immer noch Gönner hatte. Doch vieles, was dort geschah, liegt im Dunkeln. Wir wissen nur, dass er wohl zurück nach Rom wollte, um den Heiligen Vater um Vergebung zu bitten. In Porto Ercole verstarb er nach offiziellen Berichten an Sumpffieber. Er wurde in der Kirche Sant’ Erasmo beigesetzt.«
Matthias hatte aufmerksam zugehört und sich zwischendurch einige Notizen gemacht.
»Gibt es Hinweise, Schriftstücke, Aufzeichnungen von Zeugenaussagen? Ist etwas über den Verbleib des gesuchten Bildes bekannt?«, fragte er nach Barberinis Erklärungen.
»Wir wissen nur, dass erste schriftliche Berichte über die Rosenkranzmadonna in Neapel abgefasst wurden. Damals wurde das Bild von einem Brügger Künstler auf 400 Dukaten taxiert. Danach verliert sich die Spur des Kunstwerkes«, erläuterte Barberini.
»Eine Menge Gold für ein Bild«, bemerkte Matthias staunend.
»In der Tat, aber Caravaggio war es wohl wert.«
»Gibt es sonst noch Spuren?«
Der junge Kardinal zögerte einen Augenblick, als schien er zu überlegen.
»Ja, es gibt noch etwas«, antwortete er zögerlich. »Man hat bei seiner Habe ein Skizzenbuch gefunden. Wir werden nicht ganz schlau daraus, wo es entstanden ist und woran er zu diesem Zeitpunkt arbeitete.«
Barberini kramte in einer Schreibtischschublade und zog ein abgegriffenes Skizzenbuch heraus, das er Matthias übergab.
»Dieses Buch darf niemals in fremde Hände geraten. Es stammt aus den geheimen Archiven und wird als eines der verbotenen Bücher geführt.«
»Warum?«, wollte Matthias wissen.
»Ich will es so sagen: Caravaggio stand nicht bei allen Mitgliedern der Kurie hoch im Kurs. Viele hielten ihn für einen Blender, einen Scharlatan und Abgesandten des Antichristen. Darum darf niemand etwas von der Existenz des Buches wissen. Ich vertraue es Euch an. Gebt es mir zurück, wenn Ihr Euren Auftrag erfüllt habt.«
»Das verstehe ich nicht so recht!«
»Caravaggio hat viele Heiligenbilder gemalt, doch seine Modelle genossen häufig einen zweifelhaften Ruf, Saufkumpane als Apostel, Kurtisanen als heilige Frauen, das ist in den Augen vieler eine Verspottung der Kirche und schlimmste Blasphemie zugleich. Muss ich noch deutlicher werden?«
»Nein, Eminenz, das genügt völlig«, gab Matthias zu. »Aber gibt es keinen Zeugen, ich meine, wer hat die Kirche über seinen Tod informiert, wer wusste über sein Leben Bescheid?«
»Da gab es einige Personen, si! Ich werde die Unterlagen nochmals durchgehen und Euch eine vollständige Liste nebst der Aussagen zukommen lassen.«
»Habt Dank! Ich werde Euch nach Durchsicht der Zeugenaussagen über meine weiteren Schritte informieren.«
Kapitel 36
Wider der Häresie und Zauberey
Heiliges Offizium, 24. Juli a. d. 1626
Er hatte es geschafft! Dieser Commissarius würde alles daran setzen, seinen Freund zu retten. Doch es würde keine Rettung geben. Keine Gnade mit Sektierern und Häretikern, mit abtrünnigen Gläubigen, Priestern und Mönchen. Die Kirche musste von innen heraus gereinigt werden. Es gab nur eine einzige Wahrheit, der jeder Gläubige verpflichtet sein sollte und die Heilige Mutter Kirche war und ist Hüterin des wahren Glaubens.
Dieser Advocatus Liebknecht würde sich bald auf die Spur von Caravaggio begeben und höchstwahrscheinlich finden, was bereits seit Jahrhunderten von der Kirche vergeblich gesucht wurde: Das verbotene Evangelium jener Sünderin,
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