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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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Claire wirklich so sehr?«
    Mr Weatherly starrte sie aus trüben Augen an. Dee fand es unglaublich, dass jemand, der so zerknittert und schwach aussah wie Timothy Weatherly, immer noch einen Hammer schwingen konnte, aber das tat er, und er traf den Nagel jedes Mal perfekt auf den Kopf, bevor er dann sein Taschentuch herauszog und sich damit über die Stirn wischte. Jetzt spitzte er die Lippen und schluckte seinen Kaffee herunter. »Wie alt bist du?«, fragte er und tupfte sich das Kinn mit einer Serviette ab.
    »Siebzehn«, antwortete Dee. »Im Januar werde ich acht zehn.«
    Ein kleines Lächeln umspielte Mr Weatherlys dünne Lippen, und Dee fragte sich plötzlich, wie er wohl in ihrem Alter so gewesen war. Ihrem Vater war zu Ohren gekommen, dass Mr Weatherly in seiner Jugend ein ziemlicher Mädchenschwarm gewesen sein musste. Sein Bruder und er hatten damals Autos aufgemotzt und waren dafür am ganzen Kap berühmt gewesen. Dee versuchte, sich den gebückten Mann, der ihr da gegenübersaß, mit schimmernden Muskeln und schwarz glänzender Rockabilly-Frisur vorzustellen, aber es gelang ihr nicht. Was allerdings kein Wunder war, sie hatte noch nie über viel Fantasie verfügt und war eher im Hier und Jetzt verwurzelt.
    »Du bist noch so jung«, meinte Mr Weatherly und legte etwas Kleingeld auf den Tresen. Es fehlten zehn Cent, aber darüber sah Dee hinweg. Nun fixierte er sie wie ein Huhn auf Körnersuche. »Jung und dumm, aber vor allem jung. Und genau darum geht es. Claire ist nicht jung.«
    Dee sah verstohlen zu Claire hinüber. »Na ja, sie ist jetzt auch nicht gerade alt.«
    Mr Weatherly saugte an seinem Zahnfleisch. »Nicht gerade alt ist nicht das Gleiche wie jung. Und dass du diesen Unterschied nicht kennst, zeigt doch nur, wie recht ich habe.« Er zog ein Stück verknotete Schnur aus der Tasche und legte es auf die Theke neben das Kleingeld. »Hier«, sagte er. »Das ist für dich.«
    Dee runzelte die Stirn. Die Schnur war gelb und dreckig, eigentlich wollte sie sie lieber nicht anfassen. »Was ist das?«
    »Ein Knotenamulett. Nimm es ruhig, los. Ich kann mir ein neues machen.«
    Dee griff nach dem Knotengewirr und steckte es sich in die Tasche. »Danke. Wofür ist das gut?«
    Mr Weatherly wurde ernst. »Das fängt Probleme ein, bevor sie dich finden. Die Fischer in der Gegend benutzen diese Talismane.«
    Dee versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. »Ich glaube, in einem verschlafenen Nest wie Prospect muss man sich über so was doch keine Sorgen machen«, meinte sie und schloss die Finger wieder um ihren Kaffeebecher. »Vor allem nicht mitten im Winter.« Sie sah aus dem Fenster. Der eisige Regen konnte jetzt jeden Tag in Schnee übergehen, und dann würde es bis zum Frühling ganz still und ruhig sein.
    Mr Weatherly schüttelte den Kopf, als würde er Fliegen verscheuchen. »Gerade jetzt kannst du das gut gebrauchen«, erklärte er mit Nachdruck und löste seine übergeschlagenen Gliedmaßen auf dem Stuhl voneinander. »Denn um diese Jahreszeit geht hier in der Stadt der Ärger erst richtig los.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Dee, und Mr Weatherly sah sie an, als sei sie ein wenig beschränkt.
    »Also, Mädchen, das Dezemberfeuer natürlich. Mehr Probleme als damit kann man sich kaum ins Haus holen.« Ohne weitere Erklärung humpelte er zur Tür und legte den Finger an den Hut, als er an Claire vorbeikam.
    Dee brachte sein Geschirr in die Küche und stellte es ins Spülbecken. Vielleicht hatte Mr Weatherly ja recht, was sie anging, überlegte sie. Sie war jung und dumm. Sie versuchte hier gerade, das Salz auszutricksen, indem sie beiden Seiten diente, wo das doch nicht einmal die Gilly-Schwestern selbst geschafft hatten. Sie berührte den knotigen Fetisch in ihrer Tasche und lächelte. Das war so ein kleines, albernes Ding, aber trotzdem eine nette Geste. Mr Weatherly hatte offensichtlich Angst, die Probleme könnten es auf sie abgesehen haben. Dabei hatte Dee bislang immer ganz gut selbst für welche gesorgt.
    An diesem Sonntag kniete Dee in St. Agnes wie üblich neben ihrem Vater. Die winzige Kirche war fast leer, außer ihnen waren nur Mr Weatherly, die Postangestellte und noch ein paar andere, ältere Leute gekommen, die Dee nicht kannte. Und natürlich Whit und Claire. Wie immer erschienen sie als Letzte, zögerten ihren großen Auftritt hinaus, obwohl sie damit doch längst niemanden mehr beeindruckten.
    Im Lauf des vergangenen Monats hatte sich Whit bei Dee immer mehr herausgenommen.

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