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Das Geheimnis der schönen Catherine

Das Geheimnis der schönen Catherine

Titel: Das Geheimnis der schönen Catherine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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für diese Katastrophennacht: Er hatte seine Krawattennadel mit dem Phönix verloren. Schon als er nach Hause gekommen war und das Halstuch gelöst hatte, hatte er sie vermisst. Natürlich hatte er sofort einen Diener zu den Parsons geschickt, doch der war nach einer Stunde mit leeren Händen zurückgekommen. Die Dienerschaft der Parsons hatte die Krawattennadel trotz intensiver Suche nicht finden können. Offenbar hatte er sie auf dem Heimweg verloren. Ausgerechnet seine Krawattennadel! Hugo hatte sie selbst entworfen, um sich täglich daran zu erinnern, dass er, egal was passierte, sein Leben immer wieder würde neu aufbauen können. Krampfhaft überlegte er, wann er die Krawattennadel zum letzten Mal gesehen hatte. Aber seine Gedanken schweiften ab. Unwillkürlich stand wieder das Bild von Miss Singleton vor seinen Augen … Hastig sprang er aus dem Bett. Zum Teufel mit ihr! Es war beschämend, dass ihn der Gedanke an einen derartigen Hohlkopf erregte. Immer noch war ihm jede Berührung bewusst, jeder Moment, seit sie ihm die Tanzkarte gereicht hatte.
    Und was den Walzer anging … Er stöhnte unwillkürlich, als er daran dachte. Und nach dem Abendessen war sie auch noch gegen ihn gefallen … Er zwang sich, an etwas anderes zu denken. Und erinnerte sich plötzlich daran, wie ihm einst vor langen Jahren ein Taschendieb in Marseille die Brieftasche gestohlen hatte. Und er dachte an andere Taschendiebe … Konnte es sein? Nein, das war Unsinn! Damen der feinen Gesellschaft stahlen nicht, schon gar nicht die Krawattennadeln ihrer Tanzpartner. Das war unmöglich. Außerdem war das Mädchen viel zu dumm dazu. Allerdings … sie hatte es fertig gebracht, zweimal mit ihm zu tanzen und mit ihm zu Abend zu essen, ohne auch nur die kleinste Information über ihre Person preiszugeben. Hätte ein dummes Schulmädchen das geschafft? Nachdem er eine Weile darüber nachgedacht hatte, kam er zu dem Schluss, dass dumme Gänse eigentlich eher dazu neigten, ohne Argwohn vor sich hin zu schnattern und ihm jede Menge langweilige Einzelheiten über ihr Zuhause und ihre Familie zu verraten. Aber vielleicht schämte sie sich ihres Lispelns so sehr, dass es sie am Plappern hinderte. Ach, das alles war ja lächerlich. Die Krawattennadel musste abgefallen sein. Ein bitterer Nachgeschmack lag ihm auf der Zunge.
    Seine Kopfschmerzen wurden schlimmer. Und die Vorstellung, eine junge Debütantin könnte ebenso viel Geschick besitzen wie eine Marseiller Kanalratte, war nur auf seine schlechte Verfassung zurückzuführen. Er brauchte kalte Morgenluft, um wieder einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen. Als sein Kammerdiener erschien, befahl Hugo ihm müde, seine Reithosen herauszulegen und im Stall Bescheid zu geben, dass der Herr des Hauses auf Sultan auszureiten wünsche. Obwohl es noch sehr früh am Morgen war, waren die Straßen Londons bereits voller Leben. Überall drängten sich Karren mit Kohlköpfen und Kartoffeln und Handkarren mit Schnittblumen. Schubkarren mit gebrauchten Kleidern holperten lärmend über das Kopfsteinpflaster, Lieferanten mit Körben und geheimnisvollen Paketen eilten vorüber. Ein Pastetenverkäufer balancierte einen Korb mit frischen, heißen Pasteten auf dem Kopf und pries seine Ware an, während Diener und Hausangestellte auf Besorgungsgängen achtlos an ihm vorbeiliefen. Bettler schüttelten ihre Holzbecher, sobald sie einen gut gekleideten Herrn kommen sahen, überall sprangen Straßenjungen herum, und vereinzelt sah man Betrunkene, die sich an Hauswänden und Zäunen abstützten. Hugo schenkte alledem wenig Beachtung. Sein Reitpferd Sultan, ein großer schwarzer Hengst, nahm fast seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Das Tier hatte in den letzten Tagen nicht genügend Bewegung bekommen und war offensichtlich nervös. An diesem Morgen trat es nicht nur nach dem einen oder anderen zerlumpten Passanten, der ihm zu nahe kam, es keilte auch aus, als ein Metzger mit seinem Karren vor ihm herzockelte, und begann zu tänzeln, als ein Hund bellend auf ihn losging. Schnaubend trabte der Hengst an den Passanten vorbei. Hugo lächelte über die Kapriolen seines Tieres. Er hatte den Hengst, der einen scharfen Ritt offenbar ebenso nötig hatte wie sein Herr, gut im Griff. Der Park lag fast verlassen da. Noch hatten sich die Angehörigen der müßigen Oberschicht nicht aus ihren Betten erhoben, und der Rest der Welt hatte keine Zeit, um durch Parks zu schlendern. Die Luft war frisch und kühl. Hugo atmete so tief durch, dass

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