Das Geheimnis der schönen Catherine
Raum hatte sich mit seiner Garderobe mehr Mühe gegeben. Dennoch sah Mr. Devenish einfach umwerfend aus. Sein Haar war frisch geschnitten: noch kürzer als bei ihrer ersten Begegnung. Es war mit Wasser aus dem Gesicht gekämmt, nicht mit Pomade, wofür Catherine ihm dankbar war – sie hasste den Duft von Pomade. Und offensichtlich lag auch ihm mehr an Sauberkeit als an Stil. Sie fragte sich, ob er wusste, dass sich einige widerspenstige Locken noch immer dagegen sträubten, in ihrer Position zu verharren, so dass sich Mr. Devenishs Frisur nicht allzu sehr von den Windstoßfrisuren der übrigen Herren unterschied. Hatte er sein Haar deswegen so furchtbar kurz geschoren, damit niemand merkte, dass dem gestrengen Mr. Devenish sonst ein wilder Lockenschopf gewachsen wäre, um den ihn jedes junge Mädchen beneidet hätte? Der Gedanke amüsierte sie. »Sie wollen mit mir tanzen? Vielen Dank für die Ehre. Amüsieren Sie sich …«, lispelte sie. »Merkwürdig«, unterbrach er sie und musterte sie mit kühlem Blick.
Catherine meinte ein spöttisches Glitzern in seinen grauen Augen zu entdecken. Fragend sah sie ihn an. »Meine Schwägerin, Lady Norwood, behauptet, dass Sie nur lispeln, wenn Sie nervös sind. Sind Sie etwa nervös?« Catherine wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie gab ein Geräusch von sich, das, wie sie hoffte, nach nervösem Schulmädchen klang, und schwieg eine Weile. Dann rief sie: »Oh, da drüben ist meine Freundin, Miss Lutens. Ich muss …«
»Heute Morgen im Park haben Sie aber nicht gelispelt.« Catherine versteifte sich. »Im Park?« fragte sie mit schwacher Stimme und zwirbelte an ihren Locken herum, so albern sie konnte. »Ja, als Sie von den beiden Wegelagerern angegriffen wurden.«
»Wegelagerer? Oje, oje. Aber ich verstehe nicht ganz …«
»Hören Sie doch auf damit, Miss Singleton. Ich klopfe nicht nur auf den Busch. Ich habe Ihr Gesicht gesehen, als Sie mich geschlagen haben.« Sarkastisch lächelnd hob er die Hand. »Sie haben mir Ihr Brandmal aufgedrückt.« Zu Catherines Entsetzen war noch immer ein schwach roter Striemen auf seinem Handrücken zu sehen. »Es tut mir schrecklich Leid, wirklich, aber ich habe nicht …« Gerade noch rechtzeitig hielt sie inne. Schließlich durfte sie nicht eingestehen, dass sie um diese Zeit unbegleitet im Park ausgeritten war. »Ich meine, Sie irren sich. Sie können mich unmöglich gesehen haben. Ich habe heute bis zehn Uhr geschlafen, da ich doch gestern erst so spät ins Bett gekommen bin.«
Sie biss sich auf die Lippen und sah ihn reuig an. »Ich weiß zwar nicht, wer Ihnen das angetan hat, aber es tut mir sehr Leid, dass Sie verletzt wurden.« Er schnaubte. »Um mir Schmerzen zu bereiten, braucht es schon mehr als einen einfachen Schlag mit der Reitgerte.« Sie errötete, griff, ohne nachzudenken, nach seiner Hand und betrachtete die geschwollene Stelle. »Es sieht entzündet aus. Haben Sie Heilsalbe auf die Wunde aufgetragen?« Sie fuhr mit dem Finger um die Wunde. Ein Beben lief durch Hugo, während er ihr gebannt dabei zusah, wie sie ihm mit ihrem schlanken Finger über den Handrücken strich. Er war wie hypnotisiert. Düster und argwöhnisch sah er sie an. Sie hatte den Kopf geneigt, so dass ihr die Troddel ihrer Kappe über die Schultern fiel. Um ihren zarten weißen Nacken spielten weiche Locken. War das wieder einer ihrer Tricks? Am liebsten hätte er ihr seine Hand entrissen. Aber er war unfähig, sich zu bewegen, wagte kaum zu atmen. Sein Herz schlug heftig, und sein Puls begann zu rasen. Mühsam holte er Luft. Dabei nahm er das erste Mal wahr, wie sie duftete. Ihr Haar roch schwach nach Zitronen, ihr Nacken nach … er holte noch einmal Luft. Nach Rosenwasser und Vanille? Was es auch war, sie roch gut. Viele Frauen überschütteten sich förmlich mit schwerem Parfüm. Catherine Singleton nicht. Sie duftete nach Rosen … und nach Vanille, ganz entschieden. Sein Blick fiel auf ihre exotische rote Jacke und wanderte wie von selbst zu ihrem cremeweißen Dekollete. Als er einige blasse, mit Reispuder überdeckte Sommersprossen entdeckte, fühlte er fast so etwas wie Triumph in sich aufsteigen. Miss Singleton mochte ruhig versuchen, ihre Sommersprossen vor der Welt zu verstecken, aber vor ihm konnte sie sie nicht verbergen. Als er sich bei diesem besitzergreifenden Gedanken ertappte, zuckte er zusammen. Lieber Himmel! Woran dachte er da bloß? Miss Singleton war nichts als ein Rätsel, das er lösen musste, und zwar um seines Neffen
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