Das Geheimnis der schönen Catherine
willen. Ich bin lediglich geschäftlich an ihr interessiert, nicht an ihrem Aussehen, rief Hugo sich in Erinnerung. Wenn er nicht länger seine Zeit und sein Geld auf seine Schwägerin und seinen Neffen verschwenden wollte, musste er sicherstellen, dass die Erbinnen, an denen Norwood sich versuchte, ein entsprechendes Vermögen mit in die Ehe brachten. Er vertrat hier nicht nur die Interessen seines Neffen, sondern indirekt auch seine eigenen. Wenn Thomas sich erst einmal reich verheiratet hatte, wäre Hugo endlich frei. Und Miss Catherine Singleton war die Erbin, auf die Thomas’ Wahl gefallen war; dieses nach Rosen und Vanille duftende Geschöpf, das seinen Fragen mit kunstvoller Schlichtheit auswich und im Morgengrauen ausritt. Eine Erbin, die mal lispelte, mal nicht. Eine Diamantenerbin, die nie Diamanten trug. Ein behütet aufgewachsenes junges Mädchen, das ohne zu zögern mit Wegelagerern kämpfte. Ein Mädchen, das behauptete, in Jaipur mehrere Diebe abgewehrt zu haben. Ein Mädchen, das unter den Augen der vornehmen Gesellschaft seine Krawattennadel gestohlen haben könnte.
Sie sah kaum älter als siebzehn Jahre aus, aber er würde sein Pferd darauf verwetten, dass sie in Wirklichkeit sehr viel älter war, als sie sich gab. »Wie alt sind Sie?« fuhr er sie an. Sie blinzelte überrascht. Hugo hatte den Eindruck, dass ihre bis dahin unschuldig blauen Augen plötzlich dunkel saphirblau zu glitzern begannen. Saphire hatten ihm nie recht gefallen, er fand sie trügerisch. Aber ihre Augen gefielen ihm, sogar wenn sie boshaft funkelten. »Das fragt ein Gentleman eine Dame nicht«, murmelte sie und gab seine Hand frei. »Ja, aber ich bin kein Gentleman. Da können Sie jeden fragen. Wie alt sind Sie?« Er griff nach ihrer Hand. Sie gab vor nachzudenken. »Ich bin so alt wie meine Augen und ein wenig älter als meine Zähne.
Und Sie, Sir?«
»Ich bin zweiunddreißig«, erklärte er brüsk. Alt genug, um zu wissen, dass dies nicht der Ort war, an dem man mit einer jungen Frau Händchen hielt, da jeden Moment jemand hersehen konnte. Dennoch ließ er ihre Hand nicht los und strich mit dem Daumen sanft über ihre Handfläche. Ihre Hand war nicht so weich wie die anderer Damen, die er kannte. Er meinte, Schwielen zu spüren, Schwielen, die nicht vom Reiten herrühren konnten.
Wenn er sich nicht täuschte, ließ das darauf schließen, dass sie mit ihren Händen hatte arbeiten müssen. Sehr interessant – noch ein Rätsel, das der Aufklärung harrte.
»Zweiunddreißig Jahre«, wiederholte Catherine in bewunderndem Tonfall, als hätte er erklärt, er sei schon zweiundneunzig. »Das ist ziemlich alt, nicht wahr? Ich vermute, Ihre Kinder sind schon fast erwachsen?« Ihre Augen funkelten mutwillig. Ihm fiel ein, wie sie ihm am vergangenen Abend Weißbrot hatte aufnötigen wollen. »Ich habe keine Kinder«, gab Hugo scharf zurück. »Tut mir Leid«, erwiderte sie überraschend reuevoll. »Das war eine gedankenlose Bemerkung. Bitte verzeihen Sie mir.« Dieses Mädchen sollte verdammt sein!
Sie war unergründlich und unverschämt und raubte ihm den letzten Nerv! War sie nun eine lispelnde Unschuld oder eine kühle Amazone, die die Gerte zu ihrer Verteidigung benutzte?
Und wie passte die junge Dame mit den sanften blauen Augen, der weichen Stimme und den nicht ganz so weichen Händen neben ihm ins Bild? »Ich habe keine Kinder, weil ich nie geheiratet habe«, erklärte er widerwillig. »Oh.« Sie schien darüber nachzudenken. »Sie haben also der Ehe abgeschworen.« Verständnisvoll nickte sie. »Viele Männer machen sich nichts aus der Ehe, habe ich gehört.« Wieder meinte er ein spöttisches Glitzern in ihren Augen zu sehen. »Sie ziehen, äh, Männerfreundschaften vor.« Diese junge Frau war definitiv kein unbedarftes Schulmädchen! Unschuldig vielleicht, aber nicht unbedarft. Die Art, wie sie ihn bei der Hand genommen hatte, hatte ihm deutlich gemacht, dass sie von den Begierden des Fleisches keine Ahnung hatte. Sie hatte ihn berührt, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, nicht weil sie mit ihm flirten wollte, und hatte dabei mehr wie ein reuiges Kind ausgesehen als eine Verführerin. »Aber ich genieße die Gesellschaft von Frauen«, gab er zurück. Sie nickte freimütig. »Viele … unverheiratete Männer tun das, soweit ich weiß.« Sprachlos sah er sie an.
Das freche Ding ärgerte ihn absichtlich! Sie glaubte doch wohl nicht ernsthaft, dass er an Männern mehr als an Frauen interessiert war? Er wusste nicht,
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