Das Geheimnis der schönen Catherine
zurückzuhalten.
»Dafür hat Papa mich doch ausgebildet, seit ich ein kleines Mädchen war.« Maggie schnaubte.
»Du weißt, dass ich die Wahrheit sage!«
»Ja. Aber etwas zu wissen heißt noch lang nicht, dass man es auch billigt. Was sie da tun wollen, Miss Catherine, ist nicht recht, und das wissen Sie auch.« Catherine runzelte die Stirn. »Versteh doch bitte, Maggie. Ich habe es ihm auf dem Totenbett versprochen. Es war sein letzter Wunsch!«
»Sie haben einem Mann etwas versprochen, der in seinem ganzen Leben kein Versprechen gehalten hat.«
»Aber ich bin nicht wie Papa! Ich breche meine Versprechen nicht, schon gar nicht, wenn ich sie einem Sterbenden gegeben habe. Außerdem war er mein Vater.« Bittend sah Catherine ihre Kammerzofe an. »Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?«
»Das, was richtig ist.«
»Aber was ist richtig?« fragte Catherine. »Einerseits muss ich mein Versprechen halten. Ein Versprechen, das darauf hinausläuft, die Familienehre wiederherzustellen.«
»Aber einfach hinzugehen und …«
»Ich weiß, aber in Wirklichkeit ist es gar nicht falsch, Maggie. Sie haben gestohlen, was eigentlich meinem Vater gehörte, und zwar aus Eifersucht, Gehässigkeit und Bosheit. Sie haben sich gegen ihn verschworen und sein Leben ruiniert. Sie haben ihn ins Exil getrieben. Verstehst du nicht? Der fehlerhafte und verbitterte Mann, den du kanntest – das kam nur von dem, was sie ihm damals angetan hatten.« Maggie sah besorgt und zweifelnd aus. »Ich weiß nicht, Miss Catherine, ich weiß nicht … Und ich mache mir nun mal Sorgen um Sie. Wenn jemand Sie erwischt …«
»Nur keine Bange, Maggie. Ich kann auf mich aufpassen.« Hugo Devenish lag im Bett und konnte einfach nicht einschlafen. Unablässig kreisten seine Gedanken um Catherine Singleton, wieder und wieder rief er sich ihre Gespräche in Erinnerung. Ihre fröhlichen blauen Augen standen ihm lebhaft vor Augen.
Heute hatte so viel Mutwillen in ihrer Miene gelegen – und dann wieder so viel Besorgnis wegen seines verletzten Kopfs. Ruckartig setzte er sich auf. »Tut Ihnen der Kopf sehr weh?«
hatte sie gefragt, nicht: »Tut Ihnen der Kopf weh?« Und sie hatte dabei schuldbewusst ausgesehen. Warum sollte sie sich ein Gewissen daraus machen, weil ihm der Kopf wehtat?
Natürlich war es möglich, dass sie vom Fenster aus gesehen hatte, was ihm widerfahren war; schließlich hatte der Zusammenstoß mit dem Chinesen – einen Kampf konnte man es wohl kaum nennen – hinter ihrem Haus stattgefunden. Aber wenn sie alles mit angesehen hatte, warum hatte sie dann nicht die Dienstboten alarmiert und war ihm zu Hilfe geeilt? War sie deswegen so schuldbewusst gewesen? Weil sie nicht eingegriffen hatte? Es war alles sehr merkwürdig. Noch immer verstand er nicht, was der Chinese von den Singletons gewollt haben konnte. War er auf die Diamanten der Diamantenerbin aus gewesen? Nun, er war immer noch der Ansicht, dass diese Diamanten gar nicht existierten. Und Rose Singleton besaß nichts von Wert. Ganz anders als die übrigen Opfer, Pennington, Alcorne und Grantley.
Pennington, Alcorne und Grantley. Guter Gott, dachte Hugo. Erst jetzt sah er einen Zusammenhang zwischen den drei Einbrüchen. Er sprang aus dem Bett, zündete eine Lampe an und las noch einmal die Namen, die er sich auf einen Zettel notiert hatte. Pennington, Alcorne und Grantley – alle drei waren Freunde des verstorbenen James Singleton gewesen.
Das konnte kein Zufall sein. Pennington, Alcorne, Grantley, Marsden, Brackbourne, Pickford und – der ihm unbekannte – Donald Cranmore waren einst enge Freunde gewesen. Dann waren Donald Cranmore und James Singleton aus England verschwunden. Niemand wollte ihm sagen, warum, und die einstigen Freunde verkehrten heute nicht einmal mehr miteinander. Vor kurzem war nun James Singletons geheimnisumwitterte Tochter nach England gekommen. Und nun ging ein mysteriöser chinesischer Räuber in London auf Beutezug. Mittlerweile waren drei der ehemaligen Freunde von James Singleton um ihren wertvollsten Besitz gebracht worden. Nein, das konnte kein Zufall sein. Hugo zweifelte nicht daran, dass Catherine Singleton irgendwie in Kontakt mit dem Chinesen stand. Vielleicht hatte sie ihn sogar engagiert. Und wenn Pennington, Alcorne und Grantley beraubt worden waren, war es sehr wahrscheinlich, dass Marsden, Brackbourne und Pickford die nächsten Opfer wären. Erbost schüttelte er den Kopf. Das alles hätte er schon viel früher erkennen müssen. Hatte
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