Das Geheimnis der schönen Catherine
verbindlich. Catherine hätte ihn am liebsten ins Gesicht geschlagen.
Innerlich tobte sie. Hugo Devenish war ihr wie ein Schatten durch ganz London gefolgt. Was er ihr zumutete, war lächerlich und anstrengend. Schon öffnete sie die Lippen, um ihn abzuweisen. »Gib ihm deine Karte, meine Liebe«, meinte Rose entschieden. Mit eisigem Blick reichte Catherine ihm das Stück Papier, doch Mr. Devenish sah geradezu erfreut aus. »Aber nicht den Walz…« Es war zu spät.
Mr. Devenish, der seinen Namen zweimal eingetragen hatte, gab ihr mit verschmitztem Lächeln die Karte zurück. Catherine warf einen flüchtigen Blick darauf und knirschte mit den Zähnen. Natürlich!
Der Tanz vor dem Souper und dann auch noch der Walzer. Wunderbar! Mit zwei Unterschriften hatte er wieder einmal ihre ganzen Pläne über den Haufen geworfen. Sie war sich so sicher gewesen, dass sie ihn heute Abend nicht sehen würde. Eigentlich war sie nur gekommen, weil sie wusste, dass er mit den Uppington-Smythes nicht auf gutem Fuße stand. Wenn er ständig jeden ihrer Schritte überwachte, würde sie ihre Aufgabe nie erledigen können. Alles war so gut gelaufen – bis Mr. Devenish seine Nase in ihre Angelegenheiten steckte. Nicht dass es an seiner Nase etwas auszusetzen gibt, schoss es ihr flüchtig durch den Sinn. Er hatte eine wohlgeformte Nase, eine sehr edle Nase. Sie wünschte nur, sie müsste diese Nase nicht tagtäglich sehen. Vor dem Abendessen wurde ein Cotillon getanzt. Bei diesem Tanz gab es nicht viele Möglichkeiten, sich zu unterhalten, aber dennoch wollte Catherine endlich wissen, woran sie war. »Warum folgen Sie mir?« fragte sie ihn, sobald sich die Gelegenheit dazu bot. Hugo lächelte sie gequält an. »Ich habe beschlossen, Sie vor allen Gefahren zu bewahren«, sagte er leichthin. »Aber ich brauche keinen Schutzengel! Tante Rose passt schon auf mich auf.« Er wirbelte sie geschickt herum, und sie seufzte und ließ es willig mit sich geschehen. Sie war wie Wachs in seinen starken Händen und wünschte doch, dem wäre nicht so. »Vielleicht schütze ich Sie ja auf andere Weise, als Ihre Tante dies tut?« Catherine legte den Kopf ein wenig in den Nacken, damit sie ihn direkt anschauen konnte. »Was meinen Sie damit? Meine Tante sorgt sehr gut für mich.« Er warf ihr einen erschöpften Blick zu. »Nun, da bin ich anderer Meinung. Ich glaube, Sie sind sich gar nicht bewusst, welche Gefahren Sie für sich heraufbeschwören.«
Catherines Herz setzte einen Augenblick aus. Er konnte doch nicht meinen … Er konnte doch nicht wissen … Sie sah wieder zu ihm hoch, und er erwiderte ihren Blick. Ernst sah er sie mit seinen kühlen grauen Augen an. Er weiß es. Einige Zeit tanzten sie schweigend weiter. Catherines Gedanken überschlugen sich fast. Nein, er konnte es nicht wissen. Wie sollte er auch? Er war nur … nur überängstlich. »Eigentlich würde ich nachher lieber nichts essen«, sagte Catherine, als der Tanz zu Ende ging. »Vielen Dank für den Tanz, Sir. Aber ich bin wirklich überhaupt nicht hungrig. Gehen Sie nur allein, wenn Sie möchten.«
»Das würde mir im Traum nicht einfallen – meine Ehre als Gentleman steht auf dem Spiel.«
»Also gut.« Mürrisch schritt Catherine mit ihm ins Speisezimmer und sah zu, wie er zwei Teller mit Speisen füllte. »Nur für den Fall, dass Sie Ihre Meinung doch noch ändern«, erklärte er. Catherine biss die Zähne zusammen. Was dieser Mann sich anmaßte! Doch sie war tatsächlich hungrig, und so ließ sie sich die Krebspastetchen schmecken, die Hugo ihr gebracht hatte. Gerade war sie bei der dritten Gabel angelangt, als Hugo sich zu ihr vorbeugte und flüsterte: »Es wird Zeit, dass der Chinese aus Ihrem Leben verschwindet. Er gefährdet Ihre Freiheit. Sie riskieren Ihr Leben, Miss Singleton!« Catherine verschluckte sich und musste furchtbar husten. Besorgt sprang er auf und klopfte ihr den Rücken. »Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?« Sie nickte, während ihr die Tränen aus den Augen strömten, froh, ihn wegschicken zu können. Als er mit dem Wasser zurückkam, nippte sie langsam daran, um etwas Zeit zu schinden. »Alles in Ordnung?«
»Ja, ja«, keuchte sie und rang um Fassung. »Ich glaube, meine Worte haben Sie schockiert.« Durchbohrend starrte er sie an. »Mich schockiert? Nein, Sie irren sich: Ich habe mich bloß an … an einem Knochen verschluckt.« Spöttisch hob er eine Augenbraue. »Ja, ja, immer diese Knochen in der Pastete!« Auf manche Fehler ging man am besten
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