Das Geheimnis der schönen Catherine
– seit Tagen hast du kaum mehr mit ihr gesprochen.« Thomas seufzte. »Gut, Mama. Später. Jetzt möchte ich erst einmal die junge Dame finden, mit der ich zum nächsten Tanz verabredet bin.« Amelia verschränkte die Arme vor der Brust. »Schon wieder dieses unbedeutende kleine Ding? Wann hörst du endlich auf, den Beschützer zu spielen? Gewiss ist Sir Bartlemy nicht halb so schlimm, wie du erzählt hast. Schau doch nur: Er tanzt mit dem Mädchen der Langleys. Und sie sieht sehr glücklich aus.«
Beide betrachteten die Tänzerinnen und Tänzer, die gerade einen lebhaften schottischen Reel tanzten.
Ja, da war Sir Bartlemy. Affektiert tänzelte er auf seine Partnerin zu und streckte den Arm nach ihr aus. Miss Langley hielt ihm die Hand entgegen, doch als sie nach seinem Arm greifen wollte, ging die Bewegung ins Leere, und ihre kleine Faust traf Sir Bartlemys Wangenknochen. Amelia runzelte die Stirn. »Ein ungeschicktes Ding. Ihre Mutter sollte ihr einen neuen Tanzlehrer besorgen!« Ein ersticktes Geräusch entrang sich Thomas’ Kehle. »Entschuldige mich bitte. Gleich beginnt der nächste Tanz.«
»Geh nur! Aber mit Galanterie wirst du deine Schulden nicht begleichen können, mein Sohn.«
Würdevoll richtete sich Thomas zu voller Größe auf. »Das habe ich nie angenommen, Mama. Ich werde meine Schulden mit harter Arbeit begleichen.« Seine Mutter sah ihn schockiert an. Hugo war sich bewusst, welche Unruhe und Spekulationen sein Auftreten beim Ball der Uppington-Smythes auslöste. Das gefiel ihm zwar nicht, aber es machte ihm auch nichts aus: Schließlich hatte er gute Gründe, hier zu sein. »Miss Singleton?« Er neigte sich höflich über Roses Hand, dann wandte er sich ihrer Nichte zu. »Oh! Mr. Devenish! Was für ein Zufall«, flötete Catherine und gab sich überrascht:
»Wie merkwürdig, dass wir uns hier schon wieder treffen!« An diesem Abend hatte sie wie immer ein weißes Kleid an, wie es die meisten Debütantinnen während ihrer ersten Saison trugen. Darüber aber hatte sie ein exotisches Jäckchen gezogen, das über und über mit bunten Elefanten- und Tempelmotiven bestickt und üppig mit kleinen Spiegelchen besetzt war. Auf den dunklen Locken thronte ein ebenso buntes kleines Käppchen mit silberner Quaste. Eine bizarre Aufmachung, fand Hugo. Und doch ließ ihre sorglose Haltung und ihr Selbstvertrauen sie in hohem Maße modisch wirken. Er warf einen Blick in die Runde und entdeckte, dass auch andere Damen bestickte Kopfbedeckungen mit Quasten trugen. Catherine riss die Augen auf. »Ich hätte wirklich nicht gedacht, Sie hier zu treffen, Mr. Devenish. Natürlich hatte ich auch nicht damit gerechnet, dass Sie das Almack’s oder den Ball von Lady Barr besuchen würden. Auf der anderen Seite hat es mich überhaupt nicht gewundert, dass Sie den Tower of London genau zur selben Zeit besuchten wie meine Tante und ich. Und dass ich im Pantheon-Basar und in Hatchards Bücherladen fast in Sie hineingerannt bin – nun, das lag wohl daran, dass Herren oft beim Seidenhändler anzutreffen sind und so furchtbar belesen sind. Aber dass ich Ihnen hier begegne – daran hätte ich nicht im Traum zu denken gewagt!«
»Ja, was für ein erfreulicher Zufall, nicht wahr?« Zwei Damen, die in ihrer Nähe standen und ihre Unterhaltung mit angehört hatten, warfen sich einen bedeutungsvollen Blick zu, worauf Hugo innerlich zusammenzuckte. Mittlerweile war er sich sicher, dass Miss Singleton mit dem chinesischen Einbrecher unter einer Decke steckte. Ein gesetzestreuer Bürger hätte natürlich sofort die Behörden alarmiert. Doch obwohl Hugo an die Justiz glaubte, da ohne Gesetze das Chaos regieren würde, brachte er es nicht fertig, sie anzuzeigen. Stattdessen hatte er sich an ihre Fersen geheftet. Entweder erwischte er sie mit dem Chinesen und ergriff dann Maßnahmen, die jeden weiteren Kontakt unterbanden, oder er hinderte sie überhaupt daran, sich mit dem Schurken zu treffen, was in etwa auf dasselbe hinauslief. Hugo schluckte. Bisher hatte er nur erreicht, dass alle glaubten, er stehe kurz davor, Miss Singleton einen Heiratsantrag zu machen. Und wenn er sich irrte und sie doch unschuldig war, würde auch Miss Singleton erwarten, dass er sich ihr erklärte. Hugo straffte die Schultern. Er konnte es sich nicht erlauben, sich deswegen Gedanken zu machen. Falsche Hoffnungen waren nichts im Vergleich mit der Bedrohung durch den Galgen oder die Deportation. »Und, möchten Sie gerne tanzen, Miss Singleton?« fragte er
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