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Das Geheimnis der schönen Catherine

Das Geheimnis der schönen Catherine

Titel: Das Geheimnis der schönen Catherine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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weitere kleine Verzögerung, dann sprangen die Türflügel auf, und der ungebetene Besucher trat hinein. Im Haus war es sehr dunkel, doch der Einbrecher wartete nicht, bis seine Augen sich an die Düsternis gewöhnt hatten. Zielstrebig eilte er zur Tür, die zur Treppe führte, und schloss leise ab. Er wollte auf keinen Fall gestört werden. Das Zimmer war prächtig eingerichtet. Bücher füllten die Wände, hübsche Dinge standen im Raum verteilt. Die Umrisse von zwei kleinen Gemälden in matt schimmernden Goldrahmen hoben sich schattenhaft von der Seidentapete ab. Die Gemälde gehörten zusammen. Sie waren ziemlich klein, aber von Meisterhand gemalt. Auf beiden war eine nackte Frau zu sehen. Auf dem einen Bild wurde sie von unschuldigen, lachenden Cherubim umringt. Auf dem anderen hielt sie einen Apfel in der Hand, und die Cherubim sahen wie halb erwachsene junge Männer aus. Was sie im Sinn hatten, war nicht für unschuldige Gemüter bestimmt. Catherine lächelte. Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht. Wegen dieser Gemälde war sie hergekommen, wegen der Gemälde von Bronzino. Daheim wartete ein großes quadratisches Fach im falschen Boden ihrer Kampferholztruhe auf sie. Sie zog ihre schwarze chinesische Tunika aus, nahm die Gurte ab, die sie sich um die Schulter geschnallt hatte, und legte sie auf einen großen Mahagonitisch. Sorgfältig hängte sie das erste der Bilder ab, schlug es in Seide ein und wickelte ein Stück dickes Fell darum. Dann verpackte sie das ganze Bündel in Öltuch und legte es auf die Gurte. Dasselbe tat sie mit dem zweiten Gemälde. Dann legte sie das Gurtwerk wieder an und befestigte es sorgfältig. Schließlich zog sie die schwarze Tunika darüber. Sie nahm ein Stück zerknülltes Papier aus der Tasche und ließ es auf den Boden fallen, bevor sie durch die Balkontür nach draußen schlich. Mit einem Lächeln schloss sie die Tür zu und verriegelte sie wieder – sie sah keinerlei Grund, einen Hinweis zurückzulassen, wie einfach sie zu öffnen gewesen war. Sollte Lord Brackbourne ruhig rätseln, wie der Dieb es geschafft hatte, die Bronzino-Gemälde zu entwenden. Im Erdgeschoss und manchmal auch im ersten Stockwerk hatten die Leute meist überall Schlösser und Riegel angebracht, aber weiter oben – nun, aus irgendwelchen Gründen erwartete niemand, dass Einbrecher fliegen konnten. Oder klettern. Geschickt hangelte Catherine sich wieder nach oben, indem sie das Seil erst um den einen, dann um den anderen Fuß wand. Diese spezielle Technik hatte sie gelernt, als sie acht Jahre alt gewesen war, und sie war ihr mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen. Kurz darauf stand sie schon wieder auf dem Dach. Sie zog das Seil zu sich hoch, wand es sich um die Taille und zurrte es fest, dann kletterte sie zurück zur Hinterseite des Hauses, wo niedrigere Bauten an das Haus angrenzten. Von dort führte eine hohe Mauer, bekrönt mit gefährlich wirkenden Stacheln, vom Küchentrakt zur Straße. Geschwind, aber vorsichtig umging Catherine Stachel um Stachel. Dass sie so kleine schmale Füße hatte, war dabei von großem Vorteil. Endlich hatte sie die dunkel und verloren wirkende Straße erreicht. Reglos wartete sie und lauschte in die Dunkelheit, bis sie ganz sicher war, dass niemand in der Nähe lauerte. Dann holte sie tief Luft und sprang. Es waren drei oder vier Meter bis hinunter zum Kopfsteinpflaster. Das war der schwierigste Teil des Ganzen – die Pflastersteine waren uneben, und man konnte bei der Landung sehr leicht falsch aufkommen und sich die Knöchel verstauchen. Aber alles lief glatt. Catherine kam auf die Beine und verschwand in den Schatten. Gleich darauf kam ein Reiter in Überrock und Kastorhut aus einer dunklen Seitengasse. Leise pfeifend verschwand er in der Nacht. In der Ferne hörte man den Nachtwächter. »Vier Uhr früh und alles ruhig.« Vor der Hintertür eines Hauses in der Dorset Street wartete ein Junge. Er war unruhig, und als er endlich Hufgetrappel hörte, pfiff er erleichtert. Ein Reiter in Überrock und Kastorhut pfiff zurück. Der Herr stieg ab, warf dem Jungen die Zügel zu und ließ eine goldene Guinee folgen. Lächelnd stieg der Junge aufs Pferd und ritt davon, die wertvolle Goldmünze in der Hand. Der Gentleman schlüpfte durch die Seitentür in den Hinterhof, schloss die Küchentür auf, trat ins Haus und eilte lautlos nach oben. Endlich in ihrem Schlafzimmer angelangt, legte Catherine zunächst Überrock und Kastorhut ab, dann die chinesische Tunika und die

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